Der britische Konzern will Anfang August vor der Küste Libyens nach Öl bohren.
Wien (red./ag.). Drei Monate nach dem Beginn der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko hat der britische Ölkonzern BP angekündigt, am Dienstag mit dem Verschluss des Öllecks zu beginnen. Indes wächst in Europa Widerstand gegen Pläne von BP für weitere Tiefseebohrungen im Mittelmeer, 500 Kilometer von der Küste Italiens entfernt. Aus Italien und auch von der EU-Kommission kommen Forderungen nach einem vorübergehenden Verbot von Tiefseebohrungen in der Region.
Vor drei Jahren kaufte BP von Libyen die Förderrechte für ein Feld in der Bucht „Große Syrte“ rund 200 Kilometer westlich der libyschen Hafenstadt Bengasi. BP zahlte damals 900 Mio. Dollar (675 Mio. Euro) und bezeichnete den Deal als seine bisher größte Einzelinvestition. In diesem Zusammenhang werfen die USA dem Konzern vor, aus geschäftlichen Interessen Druck auf die britische Regierung ausgeübt zu haben, um die vorzeitige Freilassung des Lockerbie-Attentäters, Abdel Basset al-Megrahi, zu erwirken. Bei dem Attentat kamen 1988 insgesamt 270 Menschen ums Leben. BP bestätigte, der britischen Regierung zu einer schnellen Einigung bei einem Gefangenenaustausch geraten zu haben.
„Detaillierte Störfallpläne“
Im Mittelmeer sind bereits für Anfang August erste Bohrungen geplant. Schätzungen zufolge gibt es im Gebiet der Großen Syrte große Mengen Öl und Gas, in einer Tiefe von rund 1750 Meter. Damit sind um mindestens 250 Meter tiefere Bohrungen erforderlich als im Golf von Mexiko, wo die Explosion der Bohrinsel „Deepwater Horizon“ am 20.April eine der bis dahin schlimmsten Umweltkatastrophen ausgelöst hat. Käme es im Mittelmeer zu einer vergleichbaren Ölpest, wären nicht nur die Küsten von Libyen, sondern auch von Tunesien, Ägypten und Italien schwer betroffen.
Bedenken zur ökologischen Bedrohung hat BP in der Vergangenheit wiederholt zurückgewiesen. Es seien zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen getroffen und „detaillierte Störfallpläne“ bereits vorbereitet worden, sagte etwa BP-Sprecher David Nicholas Ende Juli. Trotzdem fordert nun Italiens Umweltministerin, Stefania Prestigiacomo, ein vorübergehendes Verbot von Tiefseebohrungen im Mittelmeer.
Gegenüber der „Financial Times“ sagte Prestigiacomo, die Ölpest vor der US-Küste habe gezeigt, wie riskant Ölbohrungen in der Tiefsee seien. Nun dürfte Europa versuchen, den Druck auf Libyen zu erhöhen. So sprach sich auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger für ein Moratorium für neue Ölbohrungen vor den Küsten Europas aus. Behörden sollten keine neuen Genehmigungen erteilen, bis die Ursachen des Unglücks vor der US-Küste aufgeklärt seien, forderte Oettinger vor Kurzem im Europäischen Parlament.
Unterdessen hat BP Berichte zurückgewiesen, dass die deutschen Aral-Tankstellen verkauft werden sollen, um Geld für die Schäden der Ölpest zu sammeln. Eine BP-Sprecherin in London bezeichnete das Tankstellennetz als „Kerngeschäft“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2010)