Die Welt im Strandkorb: Angst vor Weltverschwörern

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Welt Strandkorb Angst Weltverschwoerern(c) Bruckberger
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Seit Jahrhunderten gibt es die Angst vor Weltverschwörern – und diese stirbt nicht aus. Im Gegenteil.

Und da waren sie wieder, die Lieblingsfeindbilder jener Partei, die angeblich für die Armen und Unterdrückten kämpft: Der leitende Staatsanwalt in Klagenfurt sei ein „linker Agent und sozialistischer Freimaurer“, ließ BZÖ-Politiker Stefan Petzner per Aussendung wissen, nachdem die Untersuchungen in der Causa „Haider“ bekannt geworden waren.

„Sozialisten“ und „Freimaurer“ könnte man – entsprechend der Tradition von FPÖ/BZÖ – zwanglos erweitern, etwa um „Ostküste“. Und dann ist man schon mitten in einer Auflistung der wichtigsten „Weltverschwörer“. So hat Helmut Reinalter, Innsbrucker Historiker und Doyen der österreichischen Freimaurerforschung, sein jüngstes Buch betitelt, in dem er u.a. einen Überblick über diese Gruppen gibt, die in den Augen mancher Zeitgenossen die heimlichen Herrscher der Welt waren bzw. sind – von Juden und Templern über Freimaurer und Illuminaten bis hin zu Jakobinern und Kommunisten. Mit ungeheurer Sachkenntnis breitet Reinalter die Geschichte dieser Gesellschaften aus. Ebenso versucht er eine wissenschaftliche Typologie von Verschwörungsideen und deren Entwicklung. Das Buch gipfelt in 26 Thesen. Etwa jener, dass der Erfolg von Verschwörungstheorien u.a. darin begründet ist, dass sie als „monokausale Ideologie“ eine „rationalisierende Funktion“ hätten, „indem sie vortäuschen, für alle existenziellen Probleme eine einfache Erklärung zu haben“. Oder einfacher ausgedrückt: Ein konkreter Sündenbock macht das politische Leben (und Denken) einfacher.

Einen entscheidenden Punkt – den man sich angesichts des reißerischen Untertitels „Was Sie eigentlich alles nie erfahren sollten“ erwarten würde – beantwortet Reinalter aber nicht befriedigend: Wie real ist die Macht von Geheimgesellschaften? Reinalter sagt dazu wenig – offenbar wegen seiner felsenfesten Überzeugung, dass an Verschwörungstheorien ohnehin nichts dran ist. Eine allgemeine Unterscheidung trifft er allerdings: Bei realen Verschwörungen handle es sich „immer um relativ kurzfristig angelegte Vorhaben mit einem konkreten Ziel“. Wohingegen Verschwörungstheorien davon ausgingen, dass „konspiratives Wirken eine zeitlich weitaus größere Dimension einnimmt“. Dass die Grenzen fließend sind, streitet Reinalter nicht ab. Etwa am Beispiel der „Carbonari“, einer Gruppe von Geheimgesellschaften, die die Vereinigung und Unabhängigkeit Italiens zum Ziel hatte. Langfristig erfolgreich, wie man weiß.

Wie dem auch sei – unbestritten ist jedenfalls eine andere These Reinalters: „Die Angst vor Geheimgesellschaften und Juden besaß und besitzt nach wie vor einen hohen Stellenwert im Denken der Verschwörungstheoretiker.“ Siehe oben.


H. Reinalter: Die Weltverschwörer. Was Sie eigentlich alles nie erfahren sollten. 184 S., 19,95 Euro (Ecowin).

martin.kugler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2010)

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