Gastbeitrag

Wann greift das Recht auf Vergessenwerden? Es kommt darauf an

Informationelle Selbstbestimmung ist die große Idee des europäischen Datenschutzrechts.
Informationelle Selbstbestimmung ist die große Idee des europäischen Datenschutzrechts. (c) REUTERS (DINUKA LIYANAWATTE)
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Vom Recht, dem Einzelfall und den weichen Faktoren dahinter – und was die Digitalisierung bringt.

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Wien. Es gibt kaum ein Klischee, das so häufig wiederholt wird wie jenes, Juristinnen und Juristen würden auf jede beliebige Rechtsfrage immer dieselbe Antwort geben: Es komme stets auf die Umstände, auf die Besonderheiten, die Neuheiten des Einzelfalls an. Alles könne heute anders sein als gestern, der Sachverhalt in einer Nuance verschieden, ein Gesetz novelliert, ein Richter in Pension gegangen, höherrangiges Recht verändert, niedrigerrangiges Recht geschaffen sein. Märkte, Ethik, Technologie, Moral, Politik, alles verändert sich ständig, kann heute ungewiss machen, was noch gestern sicher schien. Recht ist, wie Luhmann so treffend es beschrieben hat, eine historische Maschine, die Ungewissheit in nur vorläufige Gewissheit transformiert und dafür Zeit (ver-)braucht. Auf jedes Verfahren kann und muss man sich erst deshalb einlassen, weil sein Ausgang (erneut) ungewiss ist – bis zum nächsten Verfahren. Vor dem Gesetz steht (stets), lehrt uns Franz Kafka, ein Türhüter.

Es ist eine zentrale Aussage des inspirierenden Buchs von Armin Nassehi, „Muster“, dass das Vermessen der Welt und der Gesellschaft kein Phänomen der Digitalisierung ist, sondern schon viel früher, in der Aufklärung, in der Industrialisierung, begonnen hat. Seither – und in der Digitalisierung erst recht – werden überall und damit auch um uns und in uns Muster erkannt und Gemeinsamkeiten entdeckt, die zuvor verborgen waren und nun gesammelt, kategorisiert, durchsucht werden. Dies geschieht unabhängig von unserem Zutun „von alleine“, weil (digitale) Technik schlicht funktioniert, in ihrem Funktionieren dissensresistent ist und keine Fragen stellt. Was aber digitalisiert und damit kategorisiert wird, ist somit nicht mehr Einzelfall, sondern Bestandteil des dahinter und darüber liegenden größeren Musters, ohne (eigenes) Wissen und Zutun. In der digitalisierten („kybernetischen“) Welt verschwindet, wie der von Nassehi zitierte Heidegger schrieb, der Unterschied zwischen Maschinen und den Lebewesen.

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