Ehemalige DDR-Bürger des Jahrgangs 1960 haben zurzeit ein Alleinstellungsmerkmal: Die Wiedervereinigung 1990 teilt ihr Leben in zwei gleich große Hälften: 30 Jahre Sozialismus, 30 Jahre Kapitalismus. Wie sich das anfühlt, wie es ihnen erging? Drei Ex-DDR-Bürger erzählen.
1960 würde als afrikanisches Jahr in die Geschichte eingehen: 18 Kolonien auf dem Kontinent erlangen die Unabhängigkeit. In den USA bricht die kurze Ära von John F. Kennedy an. Die Berliner Mauer steht noch nicht, aber bald. Die Deutsche Demokratische Republik vermeldet den Abschluss der Kollektivierung der Landwirtschaft. Und dort, in der DDR, beginnen drei Leben. Jürgen Hohmuth wird in Ostberlin geboren, Frank Richter in der sächsischen Porzellanstadt Meißen und Caroline Meißner in Elsterwerda im Lausitzer Braunkohlerevier. Alle drei sind Jahrgang 1960. Die Halbzeit ihres bisherigen Lebens, das Jahr 1990, verlief spektakulär: Sie wachten in einem anderen Staat auf. 30 Jahre lebten sie in der DDR. 30 Jahre in der Bundesrepublik. Ein halbes Leben im Sozialismus unter der Fuchtel der Einheitspartei SED, ein halbes im Kapitalismus und der Demokratie also. Zwei Systeme. Zwei Welten. Und irgendwie auch zwei Leben. Oder?
In den breiten Alleen des Berliner Viertels Prenzlauer Berg wimmelt es vor Szenelokalen mit exotischen Speisekarten. Das „Metzer Eck“ tanzt aus der Reihe. Es gibt Gäste, die schwören, dass die DDR hier nie unterging. Also dass es sich hier so anfühlt wie damals. Sie zeigen auf die Vorhänge, die Holzvertäfelung, den Ofen – und die Speisekarte. Cappuccino? „Ham wir nicht. Nur normalen Kaffee“, sagt die Lokalbesitzerin. Zu Essen gibt es Buletten, also faschierte Laibchen, oder Hackepeterstulle. „Ne schlichte Kneipe mit klassischer Berliner Karte ist das. Nur Solei fehlt, ein in Essig eingelegtes, gekochtes Ei“, sagt Jürgen Hohmuth, freier Fotograf, der hier in Prenzlauer Berg gewohnt hat. Er bestellt Buletten.