Mythos 5: Wien hat mehr Beamte als die EU in Brüssel

Mythos Verwaltung

Verwaltung. Dieser Stehsatz kursiert seit Jahren, und die häufigste Zahlenkombination lautet: Wien hat 60.000 Beamte, die EU 30.000. Klingt beeindruckend, ist aber nicht ganz richtig. Zunächst: Beide haben in Wahrheit noch mehr Bedienstete. 65.000 sind es in Wien, circa 46.000 – die Angaben schwanken – in der EU-Zentrale. Die größten Brocken sind EU-Kommission (32.000) und Parlament (6000). Jedoch handelt es sich weder in Wien noch in Brüssel nur um Beamte: In Wien liegt der Anteil bei 37 Prozent, also 24.050 – der Rest sind Vertragsbedienstete. Und die EU unterscheidet zwischen Planstellen auf Zeit und Dauerplanstellen. Letztere sind mit dem Beamtenstatus vergleichbar und machen den Löwenanteil aus. Insofern hat, streng genommen, die EU mehr Beamte als Wien, wenn auch weniger Bedienstete.

Rechnungshofkritik. Allerdings ist laut Peter Biwald vom Zentrum für Verwaltungsforschung der Vergleich Wien-EU ohnehin „ein klarer Fall von Äpfel und Birnen“. Schon weil die Institutionen verschiedene Zwecke haben. Wien muss als Land, Stadt, Gemeinde die Daseinsvorsorge abdecken, sprich: Auch Kanalarbeiter sind Beamte/Vertragsbedienstete, auch der Krankenanstaltenverbund (33.000) zählt dazu. Klassische Verwaltungsbeamte stellen laut Stadt zehn Prozent (also 6500). Bei der EU wiederum sind viele Angestellte Übersetzer. Grund zum Bürgerjubel gibt es trotzdem keinen. Weder in Brüssel, wo die Beamtenforderung nach Lohnerhöhung in der Finanzkrise zum PR-Desaster geriet, noch in Wien, wo laut Rechnungshof 350 Mio. Euro bei Beamtenpensionen einzusparen wären. Denn Wien lässt sich bei der Umsetzung der Pensionsreform um 14Jahre länger Zeit (bis 2042) als der Bund. Ab heuer wird das Regelpensionsalter von 60 Jahren quartalsweise bis 2014 auf 65 Jahre angehoben. Derzeit geht mehr als die Hälfte der Bediensteten in Frühpension, durchschnittlich setzt man sich mit 57 Jahren zur Ruhe. uw/ks

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2010)

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