Thomas Bernhard war ungemein produktiv, wo soll man da anfangen? Vielleicht einfach bei "Frost" - oder einem anderen dieser neun Lektüretipps.
Am 9. Februar 1931 wurde Thomas Bernhard im niederländischen Heerlen geboren. In seinen Romanen und Stücken thematisierte der österreichische Schriftsteller Österreichs verdrängte Nazi-Vergangenheit, rechnete mit Weggefährten ab - und wurde so zur Hassfigur. Der mit nur 58 Jahren gestorbene Schriftsteller war sehr produktiv: Sein Werk, von Suhrkamp in 22 Bänden herausgegeben, umfasst neun Romane, fünf autobiografische Schriften, Erzählungen, Gedichte, Libretti sowie vor allem Dramen, inklusive Dramoletten sind es gut 30.
Im Folgenden neun Werke, die man lesen sollte:
''Frost'' (1963)
Bernhards Romandebüt ist auch fast 60 Jahre nach Erscheinen stark. Der namenlose Ich-Erzähler fährt in ein Bergdorf und trifft dort den seltsamen Künstler Strauch. Der Anfang von Bernhards hoher Kunst der Übertreibung.
''Amras'' (1964)
Eine Familie beschließt kollektiven Suizid, die zwei Brüder überleben und werden in einen Turm im Innsbrucker Stadtteil Amras gebracht. Dem Text stellte er ein Zitat des Dichters Novalis voran: "Das Wesen der Krankheit ist so dunkel als das Wesen des Lebens."
''Der Ignorant und der Wahnsinnige'' (1972)
Der "Notlichtskandal", für den das Stück vor seiner Uraufführung 1971 bei den Salzburger Festspielen sorgte, ging in die Geschichte ein. Laut Regieanweisung sollte das Stück in absoluter Finsternis enden. Feuerpolizeiliche Vorschriften verhinderten das Löschen des Notlichts, Streitigkeiten entbrannten. Via Telegramm schrieb der Autor: "Eine Gesellschaft, die zwei Minuten Finsternis nicht verträgt, kommt ohne mein Schauspiel aus".
''Vor dem Ruhestand'' (1979)
Eine noch 30 Jahre nach dem Krieg der Nazi-Ideologie verhaftete Familie: Rudolf Höller, Gerichtspräsident und ehemaliger SS-Offizier, seine Schwestern Clara und Vera feiern jedes Jahr am 7. Oktober Himmlers Geburtstag. "Eine Komödie von deutscher Seele" lautet der Untertitel. Anlass für das Stück war die Affäre um den Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger, der wegen seiner NS-Vergangenheit 1978 zurücktreten musste.
''Holzfällen. Eine Erregung'' (1984)
"Holzfällen" trug die "Erregung" bereits im Untertitel: Das Buch wurde als Abrechnung mit Bernhards Freund und Mäzen Gerhard Lampersberg, dessen Gast Bernhard am Kärntner "Tonhof" oftmals gewesen war, verstanden und zum Skandal. Kommt doch im Roman ein Komponist, ein heruntergekommener Alkoholiker, namens Auersberger vor. Der Roman wurde in Österreich polizeilich beschlagnahmt, Bernhard untersagte daraufhin die Auslieferung all seiner Bücher nach Österreich.
''Auslöschung. Ein Zerfall'' (1986)
Bernhards letztes großes Prosawerk. Der Unfalltod seiner Eltern und seines Bruders zwingt Ich-Erzähler Franz-Josef Murau, der in Rom lebt, zur Heimkehr auf den Familiensitz Schloss Wolfsegg in Oberösterreich. Im inneren Monolog taucht der Leser in einen Erinnerungsstrom ein, mit dem Murau seine Erinnerungen "ausgelöscht" haben und seinen "Herkunftskomplex" verarbeiten will.
Autobiografische Schriften:
Fünf Erzählungen zwischen Dichtung und Wahrheit, beginnend von der Schulzeit in einem NS-Internat in Salzburg (es gab Unterlassungs- und Verleumdungsklagen) über Lehrjahre, seine Lungenkrankheit und seine frühe Kindheit voller Misshandlungen: "Die Ursache. Eine Andeutung" (1975), "Der Keller. Eine Entziehung" (1976), "Der Atem. Eine Entscheidung" (1978), "Die Kälte. Eine Isolation" (1981) und "Ein Kind" (1982).
''Heldenplatz'' (1988)
Der größte Theaterksandal in Österreichs Geschichte - und das letzte Werk des Autors. Im Zentrum des Auftragswerks zum 100-jährigen Eröffnungsjubiläum des Wiener Burgtheaters (Direktor war damals Claus Peymann), steht ein Begräbnis. Ein Herr Professor hat sich aus dem Fenster seiner Wohnung am Heldenplatz gestürzt, Familie und Bedienstete reflektieren über den Verstorbenen. Seine Frau hört das "Geschrei der Masse vom Heldenplatz".
''Meine Preise'' (2009)
Posthum veröffentlicht. In jedem der neun Kapitel schildert Bernhard den Erhalt eines Preises, sie bilden auch die Kapitelnamen - vom Grillparzerpreis bis zum Büchnerpreis. Thomas Bernhard verabscheute Literaturpreise. Dennoch nahm er sie in Empfang. "Ich hasste die Zeremonie, ich hasste die Preisgeber, ich nahm das Geld", schrieb er.