Dieser Tage hat Naxos im Auftrag des Südwestdeutschen Rundfunks einige Livemitschnitte und Studioproduktionen Friedrich Guldas aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren auf CD veröffentlicht.
Die Funde im Archiv des SWR bieten bedeutende Ergänzungen zum Gulda-Repertoire. Als der Pianist noch bereit war, reine Klassik-Programme zu spielen, konnte der Rundfunk Auftritte in Bruchsal (im Jänner 1959) und Schwetzingen (im Juni desselben Jahres) mitschneiden und bei diesen Gelegenheiten eine enorme Bandbreite von Guldas interpretatorischem Können dokumentieren.
Der Abend in Bruchsal reichte von Mozarts B-Dur-Sonate KV 333 über Beethovens „Sturm“-Sonate bis zu Stücken Debussy und Ravels hexenmeisterischem „Gaspard de la nuit“. Daß dieser Pianist in Sachen klassischer Klarheit bei Mozart und Beethoven trotz allen ausdrucksvollen und programmgemäß „stürmischen“ Konnotationen unschlagbar war, hat sich im kollektiven Gedächtnis festgeschrieben. Daß er für die Impressionisten auch über unzählige klangliche Schattierungsmöglichkeiten verfügte, kann man hier wieder nachhören - ganz abgesehen von der Mühelosigkeit, mit der er die geradezu boshaften Schwierigkeiten von Ravels tatsächlich boshaftem Gespenst „Scarbo“ meistert.
In Schwetzingen hat Gulda neben zwei Beethoven-Sonaten (darunter einer grandiosen As-Dur-Sonate op. 110 mit einem weltvergessen-improvisatorischen Adagio inmitten) auch Haydns f-Moll-Variationen und die große Es-Dur-Sonate hintergründig und verschmitzt serviert. Bachs „Capriccio“ über die „Abwesenheit seines liebsten Freundes“ dazu als Beispiel für stilübergreifende Expressivität.
Chopins Abgünde
Eine zweite CD vereint Aufnahmen, die Gulda im Rundfunk-Studio Stuttgart gemacht hat, Beethovens c-Moll-Variationen un die „Diabelli“-Variationen (1968), sowie - für Sammler besonders spannend - Chopins Préludes von 1953, deren Bandkopie zwar nicht in sonderlich erfreulichem Zustand gewesen zu sein scheint, aber doch: Der Pianist macht das Werk zu einem Pandämonium der Leidenschaften, liebevoll schattiert, aber nie verzärtelt in den lyrischen Momenten, abgründig und unerbittlichen in den jähen Abstürzen in verzweifelte Regionen, die in diesem Zyklus letztlich ja die Oberhand behalten. In solchem Umfeld gewinnt ein Werk wie das berühmte - gern aus dem Zusammenhang gerissene - „Regentropfen“-Prélude völlig neuen Sinn. Und die sanft schwebende Ekstase des As-Dur-Préludes scheint mit dem wiederkehrenden Orgelpunkt-Grundton gefährlich unterminiert.
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