Streit um ÖBB: Kernspaltung in der Regierung?

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Der "Presse"-Bericht über einen Auftrag für ein Gutachten, das ÖBB-Aufsichtsratspräsident Pöchhacker im Juli bei Rechtsanwalt Jarolim bestellt hat, löst einen neuerlichen Krach zwischen der ÖVP und SPÖ aus.

Korrekt, linientreu, brav – sogar ein wenig schüchtern: Reinhold Lopatka widerspricht dem Eindruck, den er in der Öffentlichkeit vermittelt, derzeit völlig. Knallhart bleibt der ÖVP-Finanz-Staatssekretär, der schon als Spin-Doctor von Wolfgang Schüssel zielstrebig agierte, bei seiner Kritik an den ÖBB. Und lässt sich davon auch nicht durch Querschüsse und Untergriffe abbringen. Schwarz gegen Rot gegen Schwarz gegen Rot: So lautet das Match – und die finanzschwache Bahn, die laut ihrem neuen Chef Christian Kern dringend Geld braucht, steht wieder einmal im Mittelpunkt.

Ein Exklusiv-Bericht der „Presse“ von gestern, Samstag (18. September), bietet Lopatka jedenfalls einen weiteren Grund, Öl ins Feuer zu gießen: Es geht um einen Auftrag für ein Gutachten, das ÖBB-Aufsichtsratspräsident Horst Pöchhacker im Juli bei Rechtsanwalt Hannes Jarolim (er ist auch SPÖ-Justizsprecher) bestellt hat. Die Expertise sollte klären, inwieweit die ÖBB gegen den aufmüpfigen Lopatka rechtliche Schritte setzen könne. Die ÖBB dementierten – nicht nur das Gutachten, sondern auch den Auftrag. Pöchhacker meinte, er habe Jarolim nur „unverbindlich“ um Informationen gebeten.

Ein Brief von Jarolim an Pöchhacker, aus dem „Die Presse“ zitierte, zeigt allerdings, dass der Jurist mit einem Gutachten beauftragt worden ist. Denn Jarolim bestätigt dies in dem Schreiben ausführlich.

Schriftliches Angebot. Jarolim sah sich, offenbar aus der wohlverdienten Wochenendruhe gerissen, genötigt, umgehend ein Dementi loszulassen. Mit dem er allerdings nicht nur sich selbst überdribbelte, sondern auch den ÖBB und Pöchhacker in den Rücken fiel: Der SPÖ-Justizsprecher dementiert, dass es ein Gutachten gibt (das hat die „Presse“ auch nichtgeschrieben). Gleichzeitig bestätigt Jarolim jedoch, dass Pöchhacker mit ihm gesprochen habe, ob Politiker nicht auch eine Verantwortung gegenüber öffentlichem Eigentum hätten. Und er, Jarolim, habe daraufhin „ein schriftliches Angebot erstellt mit möglicherweise zu prüfenden Themenbereichen“. Dieser Brief sei nur an Pöchhacker gegangen, so der Jurist weiter. Dieser habe dann überlegt, dass die gerichtliche Austragung des politischen Konflikts wohl nicht der geeignete Weg sei und doch kein Gutachten erstellen lassen.

Lopatkas Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Er verlangt Aufklärung über das Gutachten. Die Bundesbahnen sollen die Fakten auf den Tisch legen. Dass just Jarolim den Auftrag bekommen habe, findet Lopatka „politisch schwer zumutbar“. Das sei eine Vorgangsweise, die sich überhaupt nicht an Unternehmensinteressen orientiere, ätzt Lopatka weiter. Es sei bisher nicht bekannt gewesen, dass „ein Parteisprecher Gutachten macht, um den Koalitionspartner mundtot zu machen“. Lopatka will wissen, „wie oft Jarolim in den Genuss kam, für die ÖBB parteipolitische Arbeit zu leisten“.

Die ÖBB als Auslöser einer Kernspaltung in der Koalition? Angesichts der Härte der Auseinandersetzung halten Beobachter dies für nicht ausgeschlossen. Zumal auch ein zweiter Konfliktpunkt viel Zündstoff enthält: Konzernchef Kern hat in der ORF-Radioreihe „Im Journal zu Gast“ zwar nur eine Nulllohnrunde für das Management gefordert, er will aber „am Ende des Tages keine Reallohnerhöhung haben“. Das wird Gewerkschafter Wilhelm Haberzettl gar nicht freuen.

("Die Presse am Sonntag", Print-Ausgabe, 19. September 2010)

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