Die Affäre um die Skinhead-Reportage des ORF soll Auswirkungen auf das Redaktionsgeheimnis haben: Die SPÖ will, dass sich Journalisten auch als Beschuldigte auf das Redaktionsgeheimnis berufen können.
Die SPÖ fordert eine "gesetzlichen Stärkung" des Redaktionsgeheimnisses. Justizsprecher Hannes Jarolim will das geltende Recht dahingehend ändern, dass das Redaktionsgeheimnis auch für Beschuldigte gilt - sofern das Verfahren den Medieninhalt betrifft. Bisher sind ja Medienmitarbeiter, Herausgeber oder Medieninhaber nur als Zeugen, aber nicht als Beschuldigte von der Zeugnispflicht befreit. Sie sollen sich künftig auch als Beschuldigte auf das Redaktionsgeheimnis berufen können. Bis Weihnachten wünscht sich Jarolim eine "Klärung" über eine entsprechende "Weiterentwicklung" des Medienrechts.
Anlassfall ist eine Folge der ORF-Reportagereihe "Am Schauplatz" über rechtsradikale Jugendliche, die seit Monaten die Gerichte beschäftigt: Der ORF-Mitarbeiter Ed Moschitz und seine Protagonisten, zwei Skinheads, werden der Wiederbetätigung verdächtigt.
ORF verweigert Herausgabe der Bänder
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache glaubt, der Redakteur hätte die Jugendlichen zu NS-Parolen angestiftet. Das Wiener Oberlandesgericht hat jüngst entschieden, dass der ORF alle Aufnahmen zu dem Dreh an die Staatsanwaltschaft übergeben muss. Der ORF weigert sich unter Berufung auf das Redaktionsgeheimnis.
Der Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell wirft den Verfolgungsbehörden die "Verkennung der Bedeutung des Redaktionsgeheimnisses" vor, außerdem eine "Unkenntnis der Zielsetzung des Verbotsgesetzes". Und überhaupt: "Es gibt keine Mitwirkungspflicht der Medien etwa für die Aufklärung von Verbrechen", so Hausjell.
Auch Strache wird als Beschuldigter geführt, allerdings wegen des Verdachts der falschen Beweisaussage und des Verdachts der Verleumdung. Das geht auf eine Anzeige von "Am Schauplatz"-Chef Christian Schüller zurück.
Justiz messe mit zweierlei Maß
Auch Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) will Pressefreiheit und Medienrecht diskutieren. Jarolim begrüßt diese Pläne, übte aber auch Kritik an Bandion-Ortner. Sie nehme ihre "Pflicht", die Arbeit der Justiz zu überwachen, nicht wahr, so Jarolim. Konkret wirft er den Behörden vor, mit zweierlei Maß zu messen - etwa in den Causen Hypo Alpe Adria oder Meinl Bank.
VÖZ: Forderungen an Regierung
Der Vorstand des Verbandes Österreichischer Zeitungen (VÖZ) hat unterdessen ein vier Punkte umfassendes Forderungspaket zur Absicherung der Pressefreiheit beschlossen. Gerichtet ist es an die Bundesregierung.
Der VÖZ will Verbesserungen zur Sicherung der Pressefreiheit und des Redaktionsgeheimnisses möglichst umgehend, jedenfalls aber mit Jahresbeginn 2011 realisieren, hieß es am Mittwoch.
Der VÖZ will das Redaktionsgeheimnis verfassungsmäßig absichern, indem es einschließlich Umgehungsverbot als Bestandteil des Grundrechtes auf Pressefreiheit verankert wird. Weiters will der Verband einen Rechtsbehelf für höchstgerichtliche Kontrolle staatsanwaltlicher Anordnungen bzw. gerichtlicher Bewilligungen.
Gegen das "Amtsgeheimnis"
Außerdem fordert der VÖZ ein explizites Verbot der Auskunft über Vorratsdaten zur Umgehung des Redaktionsgeheimnisses samt Schaffung einer Clearingstelle.
Zusätzlich spricht sich der VÖZ gegen den "obrigkeitsstaatlichen Anachronismus" Amtsgeheimnis aus. Das Recht der Medien auf Zugang zu amtlichen Unterlagen, insbesondere auch Einsicht in Gerichts- und Verwaltungsakten, sollte explizit verankert werden, Einschränkungen sollte es nur in begründeten Fällen geben.
(APA/Red.)