"Stuttgart 21": Verletzter Demonstrant zeigt Minister an

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Ein Demonstrant, der bei der Eskalation einer Demo gegen das Bahnhofsprojekt schwerste Augenverletzungen erlitten hat, zeigt den Innenminister Baden-Württembergs wegen Körperverletzung an.

"Stuttgart 21"-Demonstrant Dietrich Wagner hat Strafanzeige gegen den Innenminister Baden-Württembergs wegen Körperverletzung gestellt.

Er verstehe nicht, "wie man gegen die Stuttgarter Bevölkerung ein solches Inferno anrichten kann", sagte der Pensionist dem Nachrichtenmagazin "stern".

"Schwerste Augenverletzungen" durch Wasserstrahl

Wagners Foto war durch die Medien gegangen: ein Demonstrant aus dem Stuttgarter Schlossgarten mit blutigen Augenverletzungen, der von zwei Helfern gestützt werden musste. Nach eigenen Angaben hatte er zuvor versucht Jugendlichen zu helfen, die in den Wasserstrahl der Polizei gekommen waren. Dabei habe der Wasserstrahl ihn direkt ins Gesicht getroffen, so stark, dass der 66-Jährige ohnmächtig wurde.

Der Chefarzt am Stuttgarter Katharinenhospital diagnostizierte bei Wagner "schwerste Augenverletzungen". Am schlimmsten seien die "beidseitig schweren Prellungsverletzungen". Die Lider seien zerrissen, der Augenboden eines Auges gebrochen, die Netzhaut vermutlich eingerissen. Die Linsen seien zerstört und müssten durch Kunstlinsen ersetzt werden. Wagner "ist im Moment erblindet", so der Arzt zum "stern". Er wisse nicht, wie gut sein Patient in Zukunft je wieder sehen wird.

Stuttgart 21

Der Stuttgarter Hauptbahnhof soll unter die Erde verlegt und an eine Neubaustrecke angeschlossen werden. Die Milliardenkosten und der Teilabriss des alten Bahnhofs sind sehr umstritten. Die Bahn rechnet mit Gesamtkosten von sieben Milliarden Euro. Kritiker befürchten eine Kostensteigerung auf bis zu 18,7 Milliarden Euro.

Mehr: Der Fahrplan für die Bauarbeiten

Mappus räumt Kommunikationsfehler ein

Baden-Württembergs Landesregierung hält ohne Wenn und Aber am umstrittenen Bahnprojekt fest, will sich aber mit den Gegnern an einen Tisch setzen. Ministerpräsident Stefan Mappus ernannte den CDU-Politiker Heiner Geißler am Mittwoch in einer Regierungserklärung zum Vermittler.

Er bot den Gegnern neue Gespräche über das "Jahrhundertprojekt" an und betonte, bis Sommer 2011 sollten keine weiteren Bäume gefällt und auf den Abriss des Südflügels des Bahnhofs vorerst verzichtet werden. Er warnte vor Kosten in Milliardenhöhe für das Land, sollte der Bahnhofsumbau eingestellt werden. Den SPD-Vorschlag einer Volksabstimmung wies er zurück.

Mappus räumte erhebliche Kommunikationsfehler ein und bedauerte die Eskalation bei den Demonstrationen. In der Regierungserklärung betonte er die Vorteile des Projektes sowohl für die Stadt als auch das Land. Dazu gehörten nicht nur die Verlagerung des Fernverkehrs vom Flugzeug auf die Schiene, sondern auch neue Entwicklungschancen für Stuttgart.

Grüne profitieren von Protesten

Den Gegnern wies er eine Mitschuld an der Eskalation zu und kritisierte eine Verzerrung der Fakten. Zum einen rechne sich das Projekt trotz der Kostensteigerungen. "Für die 282 Bäume, die im Zuge der Bauarbeiten insgesamt gefällt werden müssen, werden rund 5300 neue Bäume gepflanzt", betonte er zudem. Mappus widersprach auch der Kritik, der Bahnhofsumbau verhindere andere Verkehrsprojekte im Land. Scheitere das Projekt, würde die Deutsche Bahn das Geld in anderen Bundesländern investieren.

Die Grünen profitierten offenbar von ihrer Ablehnung von Stuttgart 21. In einer Forsa-Umfrage lagen sie bundesweit erstmals vor der SPD. Die Sozialdemokraten fielen in dem Wahltrend von "stern" und RTL auf 23 Prozent und damit auf das Niveau der Bundestagswahl 2009 zurück. Die Grünen erreichten 24 Prozent. Auch die Union macht einen Punkt gut: Für sie würden sich 31 Prozent der Wähler entscheiden.

(APA/red.)

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