Ibiza-Affäre

Bilanz zum U-Ausschuss: "ÖVP war wesentlich dicker im Spiel, als wir erwartet haben"

Kai Jan Krainer präsentierte den roten Bericht zum Ibiza-Untersuchungsausschuss
Kai Jan Krainer präsentierte den roten Bericht zum Ibiza-UntersuchungsausschussAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Auch wenn der Ibiza-U-Ausschuss „von Türkis und Grün abgedreht wurde“, können sich die Ergebnisse laut SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer „durchaus sehen lassen“. Für Andreas Hanger von der ÖVP aber hat er „nichts außer Unterstellungen, falschen Vorwürfen und Skandalisierungen" gebracht.

Die Frist für die Abgabe der Fraktionsberichte zum Ibiza-Untersuchungsausschuss ist am Freitag zu Ende gegangen. Bis zum Nachmittag mussten alle fünf Fraktionen ihre Darlegungen an die Parlamentsdirektion übermitteln. Die SPÖ präsentierte ihre Version am Freitag, die Freiheitlichen taten selbiges bereits am vergangenen Dienstag. Zu einem späteren Zeitpunkt werden das Neos, ÖVP und Grüne nachholen.

"War die Politik käuflich?“, fragte SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer bei der Präsentation des rund 50-Seiten langen Berichts seiner Partei zum Ibiza-Untersuchungsausschuss. Dessen Titel: „Ibiza - Gekaufte Politik". Und gab alsbald selbst die Antwort auf seine Frage: „Ja, die türkis-blaue Bundesregierung war käuflich, ja die Politik war käuflich." Hauptverantwortlich dafür sei die ÖVP gewesen.

Diese hat ihren Bericht zwar noch nicht der Öffentlichkeit vorgelegt, bekräftigte in Person von Andreas Hanger am Freitag aber: „Außer Spesen nichts gewesen“. In Wahrheit hätte es sich um einen "Unterstellungsausschuss" gehandelt.

Weshalb der Fokus auf die ÖVP?

Aber zurück zum Urteil der SPÖ. Sei der Fokus nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos am Anfang noch auf den Freiheitlichen gelegen, habe sich durch die Aktenlieferungen ein "vollkommen anderes Bild" ergeben, erklärt Kai Jan Krainer. Die Akten hätten gezeigt, dass es anfänglich keine wahrnehmbare Kommunikation der FPÖ mit dem Glücksspielkonzern Novomatic gegeben habe. Gänzlich anders stellte sich die Lage laut Krainer bei der ÖVP dar: Wesentliche Vertreter wie der damalige Kanzleramtsminister Gernot Blümel oder der Kabinettschef im Finanzministerium und spätere Öbag-Chef Thomas Schmid waren "mit der Novomatic auf Du und Du". So wurde dann auch "hinter dem Rücken der FPÖ" eine Glücksspielnovelle vorbereitet. Die FPÖ sei erst mit der Bestellung von Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria ins Spiel gekommen.

So sei die ÖVP „wesentlich dicker im Spiel“ gewesen, „als wir vorher erwartet haben“, so Krainer. „Und wesentlich dicker im Spiel als die FPÖ.“ Daher habe man sich im Verlauf des U-Ausschusses dann näher mit dem "System Kurz" beschäftigt, das sich unter anderem durch Kontrolle, Macht und Machtmissbrauch, Abgehobenheit und vermeintliche Unantastbarkeit charakterisieren lässt, so Krainer. Das Umfeld Kurz' habe versucht, in den Ministerien Kontrolle auszuüben, indem dort loyale Mitarbeiter ("Du bist Familie") platziert wurden.

„Sind nicht fertig geworden"

Man sei "nicht fertig" geworden, ehe „Türkis und Grün" den U-Ausschuss „abgedreht haben". Tausende Akten seien erst kurz vor Ende der Befragungen geliefert, zehntausende seien von der Staatsanwaltschaft noch nicht ausgewertet worden, beklagt Krainer. Dennoch sei es einer der erfolgreichsten Ausschüsse überhaupt gewesen, findet der SPÖ-Fraktionsführer und verwies auf "diverse Rücktritte und Suspendierungen". Auch im Justizministerium habe es erste Konsequenzen gegeben, sowie aufseiten der Öbag. "Ich glaube, dass auch die Justiz noch sehr lange an den Akten arbeiten wird."

Wie es im Herbst weitergeht? Welchen Themen sich ein etwaiger Folge-Ausschuss widmen soll? Darüber möchte Krainer erst im September nachdenken. "Die Regierung bietet ja viele Möglichkeiten“.

Generell gehe es in erster Linie um Transparenz, betont der rote Fraktionsführer. Es gelte, den Scheinwerfer weiterhin „hinzuhalten“: „Im Dunkeln lassen sich gut dunkle Geschäfte machen. Auf offener Bühne geht das nämlich nicht so gut."

U-Ausschuss auch für Neos „erfolgreich"

Ähnlich sah das NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper: Bis zum Herbst werde man die Entscheidung über einen weiteren U-Ausschuss treffen. Wichtig sei jedenfalls, dass die ÖVP mit ihrer Torpedierung des U-Ausschusses und ihrer Verzögerungstaktik bei den Aktenlieferungen nicht erfolgreich sein dürfe. Die Neos werden ihren Bericht voraussichtlich Anfang September präsentieren, so Krisper. Für sie steht jedenfalls fest, dass der U-Ausschuss einer der erfolgreichsten überhaupt sei.

Zum einen habe er inhaltlich zum Untersuchungsgegenstand, die mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Regierung, "sehr vieles aufklären" können. Zum anderen habe er gezeigt, dass Kurz zwar einen neuen Stil propagierte, sich in dessen Taten aber das Gegenteil gezeigt habe. Es gab eine "Logik des Geben und Nehmens", wie man am Beispiel Prikraf und an der Verflechtung mit dem Glücksspielkonzern Novomatic sehen könne. Und der Postenschacher habe unter der Regierung "Kurz I" zu "neuer Güte" gefunden. Der Kanzler selbst sei in die Bestellung von Schmid zum Öbag-Chef persönlich involviert gewesen. Der Ausschuss habe auch den "Nepotismus der türkisen Familie" zutage gefördert und gezeigt, was die ÖVP bereit ist zu tun, um sich selbst zu schützen und den Machtmissbrauch unentdeckt zu halten, so Krisper. Einer der größten Erfolge sei in diesem Zusammenhang das Aufdecken der politischen Einflussnahme auf die Ermittlungen und der "Begleitschutz" gewesen, den der U-Ausschuss der WKStA lieferte.

Hanger: „Außer Spesen nichts gewesen"

Die ÖVP präsentierte ihren Fraktionsbericht am Freitag ebenfalls noch nicht der Öffentlichkeit. Sie bleibt aber dabei, dass der Ibiza-Untersuchungsausschuss außer Unterstellungen, falschen Vorwürfen und Skandalisierungen gegenüber ÖVP-Regierungsmitgliedern nichts gebracht habe. Diese Einschätzung decke sich bis auf kleine Differenzen mit jener des Verfahrensrichters, erklärte ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger in einer Pressekonferenz.

ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger
ÖVP-Fraktionsführer Andreas HangerAPA/HERBERT NEUBAUER

Zudem beklagte Hanger eine "dramatische Verrohung der politischen Kultur in Österreich". Kritik übte er vor allem an Krainer und Krisper. Diese hätten den U-Ausschuss für das Ausleben ihrer "persönlichen Profilierungsneurosen" missbraucht. So hätte es wochenlange Skandalisierungen gegen Nationalratspräsident und Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP) gegeben. Tatsächlich seien aber mittlerweile alle Strafanzeigen eingestellt worden, die beiden müssten sich eigentlich entschuldigen, so Hanger.

Großer Aufwand für Bericht für die Grünen

Auch die Grünen wollen ihren Bericht zu einem späteren Zeitpunkt präsentieren. Gegenüber dem Ö1-"Morgenjournal" meinte deren Fraktionsführerin Nina Tomaselli, dass man sich zu Beginn des Ibiza-Untersuchungsausschusses nicht erwartet hätte, "dass wir wirklich so viele Belege für die mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung finden werden - haben wir aber und entsprechend groß ist der Arbeitsaufwand für den Bericht".

(APA/Red.)

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