Die SPÖ-Chefin hatte sich für die Rettung besonders gefährdeter Menschen aus Afghanistan ausgesprochen. Richterinnen, Frauenrechtlerinnen und Journalistinnen zum Beispiel, deren Einsatz für die westlichen Werte riskant sein könnte.
Die ÖVP ist weiterhin gegen eine Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge aus Afghanistan. Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler erteilte der Forderung von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner aus dem ORF-"Sommergespräch", besonders gefährdete Menschen nach Österreich zu holen, am Dienstag eine Absage: Nicht nur die Wiener SPÖ, auch die rote Bundespartei habe aus dem Jahr 2015 mit seiner Flüchtlingswelle "nichts" gelernt.
Rendi-Wagner hatte Montagabend von "einigen hundert" besonders gefährdeten Menschen, etwa Richterinnen, gesprochen, die gerettet werden sollten. Edtstadler sieht das anders: Die Aussage der SPÖ-Chefin, "die trotz der Erfahrungen aus den letzten Jahren und der massiven Herausforderungen in der Integration, insbesondere in Wien, weitere Menschen aus Afghanistan aufnehmen will, zeigt erneut, dass nicht nur die Wiener-, sondern auch die Bundes-SPÖ nichts aus 2015 gelernt hat", meinte die Ministerin in einer Aussendung.
Das Gebot der Stunde sei "Hilfe vor Ort", wie es auch ihre Partei immer wieder betont. Edtstadler verwies auf 18 Millionen Euro Soforthilfe für Afghanistan. Besonders gefährdete Menschen sollten in den umliegenden Nachbarländern Schutz bekommen.
Nehammer: „Freiwilligkeit“ bei EU-Flüchtlingsaufnahme
Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) erklärte unterdessen, nur dann abzuschieben, wenn es "die rechtlichen Möglichkeiten hergeben". "Abschiebungen richten sich immer nach einem ganz klaren gesetzlichen und rechtlichen Reglement: Immer anhand der Europäischen Menschenrechtskonvention, anhand der europäischen Gesetze, wenn diese das Abschieben möglich machen, dann schieben wir ab, wenn sie es nicht möglich machen, dann können wir nicht abschieben", sagte Nehammer im Vorfeld eines Sondertreffens der EU-Innenminister am Dienstag in Brüssel. Eine Aufnahme von Afghanen über das sogenannte Resettlement-Programm (Umsiedelung von Geflüchteten) lehnte er erneut ab.
"Es braucht die Freiwilligkeit", sagte Nehammer in Hinblick auf mögliche EU-Umsiedlungspläne für afghanische Flüchtlinge. Aber so lange Österreich "so hohe Belastung durch irreguläre Migration" habe, finde er es "völlig unangemessen, über Resettlement zu reden". Seinen Angaben zufolge beheimatet Österreich weltweit die viertgrößte afghanische Community. Wenn die EU es einmal schaffe, "sichere Außengrenzen zu haben, dann kann man über andere Programme nachdenken", betonte der Innenminister weiter.
Experte: Abschiebungen verstoßen gegen Menschenrechte
Der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak von der Universität Wien betonte wiederum am Dienstag, dass Abschiebungen in das von den Radikalislamisten übernommene Land nicht zulässig seien. Sie wären eine klare Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Die Diskussion über Abschiebungen sei unsinnig, denn "jetzt geht es darum, gefährdete Menschen herauszubekommen". Jetzt überhaupt über Abschiebungen nachzudenken sei auch "völlig absurd" - und diene nur der Ablenkung. Die Zahl der Afghanen in österreichischer Schubhaft sei gering - und sie müssten eigentlich sofort freigelassen werden. Denn angesichts der unmöglichen Rückführung in ihre Heimat werde hier de facto eine - gesetzlich nicht erlaubte - Sicherungshaft angewandt, merkte Nowak an.
(APA)