Die jüngste Kritik grüner Spitzenvertreter, die den Kurs der ÖVP zuletzt etwa als „Schande" bezeichnet hatten, weist der Außenminister zurück. Er störe sich an der „abwertenden Tonalität“ in der Diskussion.
In Afghanistan warten nach Angaben von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) "noch zwei, drei Dutzend" Menschen mit afghanischen Wurzeln auf die Ausreise nach Österreich. "Es melden sich fast täglich neue", sagte Schallenberg am Mittwoch in der ORF-"ZiB 2". Es sei sein Ziel, jeden Österreicher und jeden, der einen Aufenthaltstitel für Österreich habe, so bald wie möglich aus dem Land herauszukriegen, sagte Schallenberg. 87 Menschen seien bereits herausgebracht worden.
Für Afghanistan gelte seit Jahren die höchste Reisewarnstufe, so Schallenberg weiter. "Wir haben dringend davon abgeraten, dort hinzufahren." Die meisten Personen dort seien auf Familienbesuch oder Doppelstaatsbürger. "Sie haben sich erst in den letzten Tagen, zum Teil in den letzten Stunden bei uns manifestiert." Man sei von der hohen Zahl überrascht gewesen, anfangs habe man mit weniger als die bereits herausgeholten gerechnet.
Schallenberg wies Kritik zurück, Österreich unternehme zu wenig, um die Menschen herauszubringen. Es fehle nicht an Flugkapazitäten. Auch große Staaten wie die USA, Großbritannien und Deutschland würden damit ringen, ihre Bürger aus Afghanistan herauszuholen. Auch die großen Staaten kämpfen mit den gleichen Problemen wie Österreich.
Außenminister hält an Kurs der ÖVP fest
Einmal mehr betonte Schallenberg seine Ablehnung für die Aufnahme afghanischer Flüchtlinge. Die Kritik von Bundespräsident Alexander van der Bellen, der zur Aufnahme von Afghanen aufgerufen hatte, wies Schallenberg zurück. Es gebe eine Verpflichtung zu helfen, so Schallenberg. Österreich werde zusätzlich zu den drei Millionen Euro weitere 15 Millionen Euro Soforthilfe für die UNO und das Flüchtlingshochkommissariat UNHCR in Afghanistan leisten.
Grüne Spitzenvertreter hatten die Linie der ÖVP zuletzt als „Schande“ bezeichnet, auch Vizekanzler Werner Kogler bezog Position und attestierte dem großen Koalitionspartner einen Mangel an Menschlichkeit.
Soforthilfepaket von 18 Millionen Euro
"Wir sind bereit, unseren Beitrag für die Hilfe vor Ort massiv zu erhöhen. Deshalb arbeiten wir mit dem Außenministerium an einem weiteren Soforthilfepaket, das insgesamt 18 Millionen Euro umfassen soll. Von diesem Hilfspaket sollen vor allem auch Organisationen profitieren, die sich für die Stärkung der Frauen in der Region einsetzen wie beispielsweise UN Women. Das Gebot der Stunde ist Stabilität und Hilfe bei der Versorgung der Flüchtlinge in den Nachbarländern Afghanistans. Es ist daher auch dringend notwendig, möglichst rasch eine UN-Geberkonferenz einzuberufen. Damit leisten wir dort Hilfe, wo es am nötigsten ist, nämlich vor Ort und können somit neue Flüchtlingsströme nach Europa zu verhindern helfen", präzisierte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in einer Aussendung.
„Regionale Akteure zusammenbringen"
"Weder Österreich noch die Europäische Union können diese Krise alleine lösen. Wir brauchen die UNO als Motor, der alle relevanten internationalen und regionalen Akteure zusammenbringt", so Schallenberg. Mehr als drei Viertel aller österreichischen Entwicklungshilfeprojekte verfolgten auch Ziele zur Förderung von Frauen. So seien letztes Jahr Projekte im Umfang von über 80 Millionen Euro gefördert worden, die Geschlechtergleichstellung zum Ziel hatten. "Gerade angesichts der prekären Situation, die Frauen und Mädchen unter der Taliban-Herrschaft droht, werden wir unser Engagement in der Region massiv erhöhen", sagte Schallenberg.
Darüber hinaus müsse man in der gesamten Region präsent sein, sagte der Außenminister. Österreich habe mit 44.000 Menschen die zweitgrößte Gemeinschaft von Afghanen in Europa und die viertgrößte weltweit. So müsste etwa Großbritannien 300.000 Afghanen aufnehmen, um die gleiche Größe zu erreichen.
Abschieben nach Afghanistan?
Abschiebungen nach Afghanistan seien derzeit allerdings „ausgeschlossen“, räumte Schallenberg ein. Aber ergänzte: "Wir schieben weiterhin in sichere Drittstaaten wie zum Beispiel Italien, Deutschland, Rumänien". Dies sei laut Dublin-Verordnung geltendes europäisches Recht. Die derzeit „volatile Lage“ in Afghanistan werde man weiter beobachten, so der Außenminister.
Österreich habe zwar kein Interesse an einem "failed state" oder dass sich Afghanistan zum "Brutkasten des Terrorismus" entwickle, doch habe sich die Bundesregierung bereits "sehr solidarisch" gezeigt, sagte Schallenberg zuvor am Mittwoch am Rande einer Pressekonferenz mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in Wien.
Die Reaktion auf die derzeitige Krisensituation könne nicht sein, "wir bringen jetzt so viele wie möglich nach Europa". Bei der Aufnahme von Migranten sehe er nun "andere Partner am Zug", sagte Schallenberg. Nächste Woche wolle man sich dazu etwa mit Usbekistan und Tadschikistan austauschen. Die ÖVP hatte in der vergangenen Woche mehrmals für die Versorgung von Afghanen in den Nachbarländern und die Unterstützung dieser Staaten plädiert.
(APA/Red)