Pensionen

"Will nicht immer den Bösen spielen": Leiter der Alterssicherungskommission tritt zurück

APA/HERBERT NEUBAUER
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Die Regierung habe die Erkenntnisse der Alterssicherungskommission zu wenig beachtet. Die jüngsten Pensionsbeschlüsse hätten das Fass zum Überlaufen gebracht.

Walter Pöltner, der Leiter der Alterssicherungskommission, legt seine Funktion per Jahresende zurück. Die Erkenntnisse und Erfahrungen die man in der Kommission gesammelt habe würden in der Politik zu wenig beachtet, sagt Pöltner zur „Presse“. Darum sei es an der Zeit, „Verantwortung zu übernehmen“, begründet Pöltner seinen Rücktritt. Die von der Regierung angekündigte Pensionserhöhung von bis zu drei Prozent für kleine Pensionen sei der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, sagte Pöltner.

„Der Gap zwischen dem, was ich für sinnvoll erachte und dem, was politisch möglich ist, ist zu groß“, sagt Pöltner. „Ich bin müde, darauf hinzuweisen, dass wir schauen müssen, dass das Pensionssystem langfrsitig funktioniert und wie es zu finanzieren ist. Ich will nicht immer den Bösen spielen.“ 

Er habe das Büro von Sozialminister Wolfgang Mückstein heute (Montag) früh über den Schritt informiert. Gleichzeitig habe er angeboten, die Funktion noch bis Jahresende auszüben, damit die Übergabe an eine neue Leitung geordnet mit 1.1. 2022 erfolgen könne. 

Gutachten mit Diskussionsstoff

Die Alterssicherungskommission erstellt Gutachten zum Pensionssystem. Derzeit wird das neue Langfristgutachten ausgearbeitet. Das jüngste Gutachten lieferte Stoff für heftige Debatten: Berechnungen zeigten, dass der Bund schon in fünf Jahren, also 2025, insgesamt 15,2 Milliarden Euro zur gesetzlichen Pensionsversicherung von Arbeitnehmern, Bauern und Gewerbetreibenden zur Abdeckung der Finanzlücke wird beisteuern müssen.

Pöltner gilt als scharfer Kritiker der außertourlichen Pensionserhöhungen, wie sie die Regierung auch für nächstes Jahr plant. Wie türkis-grün am Wochenende bekannt gab, sollen Pensionen bis 1000 Euro brutto um drei Prozent erhöht werden, also deutlich stärker als die zugrunde liegende Teuerung von 1,8 Prozent. Das Gesetz sieht eine Anpassung der Pensionen um die Inflation vor. Will man davon abweichen, braucht es einen Nationalratsbeschluss. Davon haben die Regierungen in den vergangenen Jahren regelmäßig Gebrauch gemacht: Kleine Pensionen wurden deutlich über der Inflation erhöht.

„Nicht jeder mit kleiner Pension ist arm"

„Nicht hinter jeder kleinen Pension steht ein armer Mensch“, pflegte Pöltner, der einst SPÖ-Mitglied war, zu sagen. Man könne nicht sagen, dass jemand mit weniger als 1000 Euro Pension automatisch arm sei, sagte Pöltner unlängst im Interview mit der „Presse“: „Armutsbekämpfung über Pensionsanpassung scheint mir ziemlich fantasielos.“ Es gebe genug Menschen, die 875 Euro Pension bekommen und daneben andere Einkommen haben, etwa von ihrem Ehepartner oder durch Mieteinnahmen oder durch Pension aus dem Ausland. Um die 300.000 Pensionen in Österreich seien niedriger als 325 Euro im Monat, sagte er. Das seien in der Regel keine Menschen, die ein Leben lang in Österreich gearbeitet haben. „Denn dann müssten sie deutlich mehr bekommen.“ Das Pensionssystem sei „nicht geeignet für Umverteilung.“ 

Pöltner sitzt der Alterssicherungskommission seit 2019 vor. Der Jurist war viele Jahre Sektionschef im Sozialministerium und ab 22. Mai 2019 kurzzeitig selbst Sozialminister.

(Presse Print)

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