Kurz vor dem Weltklimagipfel wird die Liste der Länder, die plötzlich klimaneutral werden wollen, fast täglich länger. Doch viele der schönen Versprechen dienen bei Tageslicht betrachtet vor allem der Eigen-PR der Regierungen.
Wenige Tage vor dem Start der Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow steigen auch die Königshäuser groß in die Rettung des Planeten ein. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman versprach am Wochenende, die Erdölmacht bis 2060 in ein klimaneutrales Paradies zu verwandeln. Dem staatseigenen Ölkonzern Saudi Aramco soll dieses Kunststück schon zehn Jahre vorher glücken. Zum Applaudieren kam eigens Prinz Charles angereist, der alle Regierungen mahnte, dass das Zeitfenster für echte Klimapolitik „gefährlich klein“ werde.
Mit Reden wie diesen kann man im Moment nicht viel falsch machen. Selbst der weltgrößte CO2-Emittent China ließ sich jüngst für die Ansage feiern, keine Kohlekraftwerke im Ausland mehr zu bauen. Doch die Realität sieht anders aus.
Weder London noch Riad oder Peking lassen ihren Worten bisher ausreichend Taten folgen. Großbritannien hat seine Emissionen zwar stark reduziert, tut aber bei Weitem nicht genug, um das 1,5-Grad-Ziel aus Paris zu erfüllen. China will zwar Kohlekraftwerke im Ausland bremsen, im eigenen Land setzt die Volksrepublik hingegen weiter unbeirrt auf den schmutzigen, aber billigen Energieträger. Saudi-Arabien hätte das Zeug dazu, sich zu ändern. Platz und Sonne gibt es genug, um von der Öl- auf Solar- oder Wasserstoffmacht umzusatteln.
Doch auch davon ist noch nicht viel zu sehen. In vergangenen Jahren war das Land bei internationalen Klimakonferenzen stets ein Bremser, aktuell verdient sich das Königreich angesichts der hohen Ölpreise mit fossilen Rohstoffen eine goldene Nase. Die unabhängige Forschergruppe „Climate Action Tracker“ bewertet die reale Klimapolitik der Saudis als „kritisch unzureichend“. Es gebe keinerlei konkrete Maßnahmen, die die Erreichung der grünen Pläne sicherstellen könnten. Die Gefahr, dass von den neuen Klimaschutzzielen nicht viel mehr als Eigen-PR für Riad übrig bleibt, ist bei weitem nicht gebannt.
Oh, wie schön ist Gambia!
Dass es international trotzdem Lob regnet, hat einen Grund: (Fast) alle Staaten sitzen im selben Boot. Sie haben sich in Paris zu konsequentem Klimaschutz verschrieben, setzen in ihren Staaten aber nicht die notwendigen Schritte, um das auch wahr werden zu lassen. In Glasgow wird sich weisen, wie hoch sich die Länder die Messlatte legen. Ob sie auch tatsächlich darüber springen, werden wir erst in Jahren wissen.
Derzeit verfolgt laut „Climate Action Tracker“ nur das afrikanische Gambia eine Klimapolitik, die mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar ist. Wälder sollen wieder aufgeforstet werden, Entwicklungsbanken sollen helfen, die Stromversorgung des Landes auf Erneuerbare umzustellen. Das Klima wird der Vorzeige-Kleinstaat ohne die Schwergewichte aus Asien und Amerika dennoch nicht retten. Zur Relation: Schon das Burgenland emittiert dreimal so viel CO2 wie ganz Gambia.