Corona-Impfung

Impfpflicht: Verhaltensökonomen fordern mehr Aufklärung und individuelle Strafen

Mass vaccination centre in Vienna
Mass vaccination centre in ViennaREUTERS / LISI NIESNER
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Es brauche mehr Gesundheitspersonal, um Patienten entsprechend über die Corona-Impfung aufzuklären, meinen Verhaltensökonomen des IHS. Die Impfpflicht ersetze keine Informationskampagne. Kontrollen sollten fokussiert, Strafen nicht nur finanziell sein.

Die Einführung einer Impfpflicht darf nicht dazu führen, dass bisherige Maßnahmen zur Steigerung der Impfbereitschaft zurückgefahren werden. Außerdem brauche es sowohl im Gesundheits- wie auch im Kontrollbereich mehr Personal, meinten Verhaltensökonominnen und - ökonomen des Instituts für Höhere Studien (IHS) am Freitag vor Journalisten. Kontrollen sollten auf bestimme Gruppen wie Risikopatienten fokussiert werden, als Strafen sollte auch gemeinnützige Arbeit möglich sein.

Die Verhaltensökonomin Katharina Gangl beschäftigt sich vor allem mit der Frage, wie man es schafft, dass Menschen Pflichten befolgen - und das möglichst freiwillig. Ihrer Ansicht nach liegt bei der Impfung einer der Schlüssel im Empowerment des Gesundheits- und Kontrollpersonals. "Wir haben zu wenig Leute, die mit den Menschen auch reden können." Jene Personen, die im direkten Kontakt mit der Bevölkerung stehen, müssten etwa im Konfliktmanagement trainiert werden. "Wie muss ich ein Aufklärungsgespräch führen mit Angstpatienten, mit Radikalisierten, aber auch mit Menschen, die einfach ihren Termin vergessen haben?" Für diese Aufgaben brauche es "massiv mehr Personal".

Reiche sollen sich nicht „freikaufen“ können

Man brauche auch "sehr viel mehr Aufklärungsstellen", meinte Gangl. Dem "massiven Überangebot an Fehlinformation" müsse der Staat etwas entgegensetzen - online, per Telefon und auch vor Ort. So wäre es etwa wichtig, im Aufforderungsbrief zum Impfen auch auf die entsprechenden Aufklärungsangebote hinzuweisen. Bei den Kontrollen der Einhaltung der Impfpflicht empfiehlt Gangl aus Kapazitätsgründen zunächst einen Fokus auf jene Personen, die andere gefährden könnten, sowie auf Risikopatientinnen und -patienten.

Mögliche Strafen sollten individuell und aufsteigend sein, so Gangl. Zuerst sollte eine Aufklärung stehen, eine Strafe müsse dann auch den finanziellen Möglichkeiten entsprechen. Mögliche Konsequenz könnte außerdem auch eine Therapie sein, auch gemeinnützige Arbeit komme in Frage. So könne man etwa sicherstellen, dass sich Reiche nicht einfach "freikaufen" können.

Impfkampagne wie professioneller Wahlkampf

Gangl empfiehlt auch, den Menschen Wahlmöglichkeiten einzuräumen - etwa beim Impfstoff, beim Ort der Impfung oder bei der Wahl des Arztes. "Sie sollen das Gefühl haben, auch mitreden zu können." Eine Impfkampagne müsse außerdem wie ein professioneller Wahlkampf aufgezogen werden - mit Plakaten, Hausbesuchen, Straßenständen und auf Social Media. Die Kommunikation dabei sollten Experten, Vorbilder, Polizisten, Krankenschwestern oder Betroffene übernehmen - nicht aber Politiker. Außerdem müsse mehr mit Humor gearbeitet werden und der Fokus auf die bereits Geimpften gelegt werden - und nicht auf die Ungeimpften.

Gleichzeitig müsse man auch die möglichen negativen Effekte einer Impfpflicht im Auge behalten, so ihr Kollege Florian Spitzer. Dazu gehörten neben einer Radikalisierung der vor Corona überschaubaren Impfgegner-Szene auch sogenannte "Spillover"-Effekte - also dass etwa Menschen, die der Corona-Impfung skeptisch gegenüberstehen, Auffrischungsimpfungen gegen andere Krankheiten verweigern oder ihre Kinder auch gegen diese nicht mehr impfen lassen.

Risikoabwägung und Unterlassungseffekt

Die niedrige Impfrate erklärte Spitzer auch mit psychologischen Effekten wie Gegenwartspräferenzen: "Wenn ich mich impfen lasse, fallen bestimmte Kosten an. Ich muss einen Termin vereinbaren, habe vielleicht Nebenwirkungen - die positiven Effekte habe ich aber erst in der Zukunft." Außerdem spiele auch der sogenannte Unterlassungseffekt eine Rolle: Das Risiko einer Impfung, also einer aktiven Handlung, werde deutlich überschätzt im Vergleich zum Risiko, einfach nichts zu tun.

Außerdem hätten Menschen Schwierigkeiten, Wahrscheinlichkeiten richtig einzuschätzen, so Spitzer. Dies sei vor allem bei sehr kleinen Wahrscheinlichkeiten der Fall - also etwa der Abwägung des Risikos von Nebenwirkungen gegenüber jenem eines schweren Verlaufs. "Das Risiko der Erkrankung wird unterschätzt, die Risiken der Impfung überschätzt."

(APA)

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