Rechtsextremismus

Wie Corona-Demos die Radikalisierung schüren können

1400 Polizisten waren vorigen Samstag bei der Corona-Demo in Wien im Einsatz. Auch in anderen Bundesländern fanden Protestkundgebungen gegen die Corona-Maßnahmen statt.
1400 Polizisten waren vorigen Samstag bei der Corona-Demo in Wien im Einsatz. Auch in anderen Bundesländern fanden Protestkundgebungen gegen die Corona-Maßnahmen statt.APA/Florian Wieser
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Rechtsextreme versuchen die Kundgebungen gegen Corona-Maßnahmen für ihre Zwecke zu kapern. Radikalisierungs-Forscher warnen davor.

Bürgermeister, vor deren Privatwohnungen Corona-Leugner aufmarschieren. Spitäler, die Sicherheitsdienste beschäftigen, um drohende Angriffe durch Corona-Maßnahmen-Gegner abwehren zu können. Journalisten, die bei Demonstrationen umringt und bedrängt werden. Die Anzeichen steigender Aggression und Gewaltbereitschaft sind nicht zu übersehen. Dementsprechend mehren sich die Warnungen.

In Österreich sei die radikale Szene, die sich gegen die offiziellen Corona-Vorgaben stellt, sogar „noch einen Punkt weiter“ als in Deutschland, erklärte der deutsche Radikalismus-Experte Peter R. Neumann am Montag der Austria Presse Agentur. Der am Londoner King's College tätige Forscher hat sich zuletzt zu Behörden-Gesprächen über eben dieses Thema in Wien aufgehalten. Neumanns Warnung: Es bestehe „die begründete Befürchtung, dass es auch zu Gewalttaten kommen wird“.

Bürgermeister sind gewarnt

Vor einigen Tagen hatte der Innenminister – dieser hieß damals noch Karl Nehammer – an die 400 Bürgermeister zu einer Videokonferenz geladen, um über die drohende Gefahr zu informieren. Nach dem Protest-Reigen am Wochenende – allein in Wien nahmen am Samstag 44.000 Personen an einer Corona-Demonstration teil, die von FPÖ-Chef Herbert Kickl mitorganisiert worden war – stieß Nehammers Amtsnachfolger, ÖVP-Innenminister Gerhard Karner, ins selbe Horn: „Es darf kein Pardon geben, wenn Hetzer und Rechtsradikale aufmarschieren oder vor Krankenhäusern demonstrieren.“ Und er appellierte an alle, sich nicht von Hetzern missbrauchen und „vor den Karren spannen“ zu lassen.

Damit sprach Karner ein auffälliges Merkmal der Demos an: Die Teilnehmerfelder sind heterogen. Mütter mit Kindern gehen neben Verschwörungs-Theoretikern. Leute, die keine Impfpflicht wollen, marschieren im Pulk mit Neonazis. Letztere, nämlich die rechtsextreme Szene, versucht derzeit die Massen für eigene Zwecke einzuspannen.

Neumann: Es seien „durchaus Rechtsextreme, die die Bewegung steuern“. In der „breiten Bewegung“ würden die Proteste auch von der FPÖ organisiert und seien dort ausgeprägter, wo die FPÖ stark sei.
In Deutschland ist die Maßnahmen-Gegner-Szene in Sachsen und Thüringen stark. Dort, wo die rechtsgerichtete AfD ihre Hochburgen hat. Diese Gruppen seien laut Neumann „von Rechtsextremen durchsetzt“, wobei die rechten Parteien, darunter auch FPÖ-Obmann Herbert Kickl, versuchten „sich an die Spitze zu stellen“.

Impf-Infrastruktur in Gefahr

Ziel von etwaigen Anschlägen könnte „alles, was mit der Infrastruktur des Impfens zu tun hat“, sein. Zusätzlich zu möglichen Anschlägen komme die Gefahr, „dass jemand durchdreht, die affektgeladene Gewalt“, die sich bei Demonstrationen entlade, wo Polizisten und Journalisten angegriffen würden.

Auf der oben erwähnten Bürgermeister-Videokonferenz warnte auch der deutsche Extremismus-Forscher Stefan Goertz: Es sei es ein Merkmal der Demos, dass zum „Widerstand“ aufgerufen werde. Immer wieder werde gegen „die da oben“, gegen „entrückte Politiker“ gewettert. Die Gefahr bestehe auch darin, dass Extremisten bei Demos die Agitation übernehmen.

Der österreichische Staatsschutz beteuert das Problem auf der Agenda zu haben. So sagte Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Direktor Omar Haijawi-Pirchner im „Standard“: „Die Szene der Corona-Leugner ist derzeit die größte Bedrohung für die Sicherheit.“ Und: „Das Milieu ist sehr heterogen, gleichzeitig steckt dort viel Potenzial. Das große Risiko liegt darin, dass Rechtsextreme die Szene nutzen, um ihre Ideologie voranzutreiben.“

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