Musikverein

Neujahrskonzert: „Tausendundeine Nacht“ für 1000

APA/DIETER NAGL
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Zwar reduziert, aber doch: 2022 dürfen wieder Menschen live im Saaldem Jahresauftakt der Wiener Philharmoniker lauschen, den Daniel Barenboim dirigiert.

Die Philharmoniker spielen diese Musik, als ob sie sie gerade komponieren würden“, meint Daniel Barenboim in der Probenphase zu seinem dritten Wiener Neujahrskonzert. Orchestervorstand Daniel Froschauer hatte kurz zuvor über den Dirigenten gesagt: „Er arbeitet hart und konsequent, fordert höchst rhythmische Präzision und sanftes Spiel.“ Widersprüche? Nicht wirklich! „Es herrschen ziemlich unklare Vorstellungen über den Dirigentenberuf“, kommentierte Barenboim im Rahmen der Programmpräsentation im Hotel Imperial. „Natürlich findet ein Orchester wie dieses letztlich von selber seine Einsätze.“ Entscheidend sei, was der Dirigent noch zusätzlich beitragen könne.

Mythologie und Märchen

Die Welt wird sich davon überzeugen können, wie viel das ist. Das Neujahrskonzert wird heuer von 99 Stationen quer über den Erdball übernommen. Anders als im Vorjahr dürfen heuer trotz anhaltender Pandemie auch wieder Zuhörer im großen Musikvereinssaal anwesend sein. Wenn auch nicht mehr als 1000. Das Orchester musste etliche verkaufte Tickets wieder einziehen und den Inhabern die Teilnahme am Neujahrskonzert 2023 garantieren. Stehplätze können aufgrund der Verordnungen gar keine vergeben werden.

Daniel Barenboim bedauert die Reduktion, gibt sich aber zufrieden, dass überhaupt Publikum anwesend sein darf: „Musik ist dazu da, live gehört zu werden. Ich hatte ja das Glück, im Vorjahr das erste Konzert der Wiener Philharmoniker in Covid-Zeiten dirigieren zu dürfen. Das war einerseits schön, andererseits war es auch traurig, vor einem leeren Saal zu musizieren.“ Er hoffe, mit dem wienerischen Jahresauftakt auch die Politik zu erreichen, um zu signalisieren, wie wichtig Musik für die Menschen sei: „Die Welt hat das in jüngster Zeit vergessen, dabei kann Musik so viel zur Bildung beitragen. Für mich war es ein Erlebnis, dass heuer meine beiden Enkel in Wien sind und ein wenig von der Probenarbeit mitbekommen haben: Sie sind fünf und sieben Jahre alt. Es war berührend zu sehen, dass ihnen diese Musik Freude und Ruhe beschert hat.“

Das lag wohl nicht nur an der teilweise märchenhaften Programmplanung für das Konzert 2022. „Ein solches Programm zusammenzustellen ist ja nicht leicht“, kommentierte der Dirigent: „Es ist ja, als ob Sie lauter Zugaben hintereinander spielen wollten.“ Daniel Froschauer ergänzte: „Deshalb haben wir uns bemüht, einige Themen zu finden, die Teile des Programms zu Einheiten binden.“ Da wären: Mythologie („Die Sirene“, „Phönix-Schwingen“) und Medien („Morgenblätter“, „Kleiner Anzeiger“), der Orient („Tausendundeine Nacht“, „Persischer Marsch“) und Märchen („Heinzelmännchen“ „Sphärenklänge“) – so fügen sich auch einige Neujahrs-Premieren harmonisch ein, Stücke von Hellmesberger, Josef und Eduard Strauß, die die Philharmoniker noch nie am 1. Jänner im Programm hatten. „Es war uns wichtig, dass wieder die gesamte Strauß-Familie vertreten ist – wenn auch Strauß Vater nur mit dem abschließenden Radetzky-Marsch.“

Einer der Schwerpunkte nennt sich „Nachtschwärmer“ – „so kommen wir mit der ,Fledermaus‘-Ouvertüre zu dem Schluss, dass ja doch der Champagner an allem schuld ist“, resümiert Froschauer. Nachtschwärmer werden, ergänzte ORF-Kulturchef Martin Traxl, auch in einer Balletteinlage zu sehen sein: „Ein junges Pärchen zieht nach einer Partynacht durch den historischen Stadtkern von Wien.“

Die Lipizzaner haben entschieden

Das hat insofern Methode, als alle Filme und Tanzeinlagen (erstmals gestaltet von Wiens Ballettchef Martin Schlaepfer) Bezug auf das Unesco-Kulturerbe nehmen. Eine der Aufnahmen wurde in der Spanischen Hofreitschule gemacht – wobei den Lipizzanern buchstäblich die Wahl gelassen wurde. „Wir haben ihnen verschiedene Stücke vorgespielt“, berichtete Daniel Froschauer. Die Betreuer haben ihre Tiere dabei genau beobachtet: Die Wahl der Pferde fiel eindeutig auf „Nymphenpolka“ von Josef Strauß.

Dank ging auch an das Wiener Stadtgartenamt: „Sie haben uns in ein Meer von Blumen getaucht“, schwärmte Froschauer.

Auf ORF2 beginnt das Neujahrsprogramm um 9.50 Uhr mit einem Porträt von Daniel Barenboim. Ab 10.35 Uhr zeigt „Auftakt“ die Vorarbeiten hinter den Kulissen (10.35). Die Liveübertragung beginnt wie gewohnt um 11.15 Uhr. Für alle, die das verschlafen: ORF III zeigt die Aufzeichnung um 20.15 Uhr.

Im Musikverein wurde die Besucherzahl auf 1000 beschränkt; den 700 Kartenbesitzern, die leer ausgehen, werden Plätze für 2023 reserviert. Die glücklichen Tausend sollen zehn Minuten mehr Zeit einplanen, denn die Gäste im Musikverein müssen geimpft sein und einen gültigen PCR-Test vorweisen können. Die Kontrollen sind lückenlos.

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