Programm-Ausblick

Kulturhauptstädte 2022: Novi Sad, Esch und Kaunas

Die serbische Stadt Novi Sad wird 2022 europäische Kulturhauptstadt.
Die serbische Stadt Novi Sad wird 2022 europäische Kulturhauptstadt.(c) imago images/PhotoAlto
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Novi Sad in Serbien, Kaunas in Litauen und Esch in Luxemburg teilen sich 2022 den Titel der „Europäischen Kulturhauptstadt“. Ein Ausblick auf Programm und Erwartungen.

So trug formal im vergangenen Jahr dank der Pandemie überhaupt keine Stadt den Ehrentitel. Stattdessen wurden die Regentschaften des irischen Galway und der kroatischen Stadt Rijeka bis ins Jahr 2021 hinein verlängert. Die für das Vorjahr vorgesehenen Metropolen Timișoara in Rumänien und Eleusis in Griechenland dürften nun 2023 zum Zug kommen, während das serbische Novi Sad auf heuer verschoben wurde.

Planänderung

Die Coronapandemie hat auch den an sich so weitblickend im Voraus festgezurrten Zeitplan für Europas Kulturhauptstädte durcheinandergewirbelt. Denn an sich steht bereits jetzt fest, wer bis ins Jahr 2026 hinein diesen Ehrentitel tragen darf, der 1985 von der Europäischen Union eingeführt wurde. Schließlich müssen sich die Bewerberstädte umfassend auf das entsprechende Jahr vorbereiten können. Dank Covid hat Europa 2022 nun aber gleich drei Kulturhauptstädte.

Schließlich teilen sich seit der EU-Osterweiterung zwei Städte den Titel, um die neuen EU-Mitglieder rasch einzubinden. Und alle drei Jahre können sich auch EU-Beitrittskandidaten und Länder aus dem Europäischen Wirtschaftsraum bewerben.

Novi Sad, Esch, Kaunas

Das luxemburgische Esch und das litauische Kaunas werden heuer also um das serbische Novi Sad ergänzt. Nun regieren die jeweils zweitgrößten Städte ihres Landes also im Triumvirat. Die Kooperation über Städte und teils Grenzen hinweg hat bei dem Projekt Kulturhauptstadt ja ohnedies Tradition, ist doch beim nächsten Kandidaten aus Österreich 2024 zwar formal Bad Ischl der Ausrichter, de facto sind aber gute Teile des Salzkammergutes mit von der Partie.

Novi Sad setzt auf Effekt

In Novi Sad, der Hautstadt der Provinz Vojvodina, startet man am 13. Jänner mit einem Jahr Verspätung in das Kulturjahr. Neben Serben leben hier mehr als ein Dutzend anderer Nationalitäten. Im Jahr 1748 verlieh die Habsburger Kaiserin Maria Theresia der auf lateinisch Neoplanta genannten Siedlung den Titel einer königlichen Freistadt. Ihre Bürger sollten sie fortan in ihrer jeweiligen Muttersprache benennen: Neusatz auf deutsch, Ujvidek auf ungarisch und Novi Sad auf serbisch. Bis 1918 war die Stadt Teil der k.u.k.-Monarchie, was sie bis heute prägt. Drei Brücken überspannen die Donau. Sie wurden bei den Nato-Bombardierungen im Frühjahr 1999 zerstört, als das westliche Bündnis den damaligen serbischen Kriegsherrn Slobodan Milosevic zur Aufgabe des von Albanern bevölkerten Kosovos zwang.

Mit einem Budget von 60 Millionen Euro stellt die Stadt mit 340.000 Einwohnern ein ambitioniertes Programm auf die Beine. Abgehandelt werden Themen wie Migration, Frauen in der Kunst, die Zukunft Europas. Zur Eröffnung am 13. Jänner - das Datum fällt mit dem orthodoxen Neujahr zusammen - gestaltet der slowenische Avantgardekünstler Dragan Zivadinov ein Open-Air-Spektakel mit dem Titel "Zeniteum". Der Titel spielt auf die stilprägende jugoslawische Avantgardekunstzeitschrift "Zenit" an, die in den 1920er Jahren zuerst in Zagreb und dann in Belgrad erschien.

Im Rahmen der Vorprogramme zum Kulturhauptstadtjahr gab es auch zahlreiche Kooperationen mit dem Österreichischen Kulturforum in Serbien und österreichischen Institutionen. So sind etwa die Berufsvereinigung der Bildenden KünstlerInnen Österreichs und Aporon 21 aus Graz Partner bei der Ausstellung „Link it, mark it“, die am 22. Februar eröffnet wird, die Sammlung Verbund bei der Schau „The Feminist Avantgarde“ab 19. Mai oder das Festival Nextcomic aus Linz bei der Konferenz „Comics, Heritage and Contemporary Art“, die von 29. bis 30. Oktober über die Bühne gehen soll.

Kritiker des Kulturhauptstadtprogramms bemängeln, dass die Macher auf Schein statt Nachhaltigkeit, auf Effekt statt Tiefe setzten. Weite Teile der unabhängigen Kunstszene in Novi Sad wurden mit dem Kulturhauptstadtprojekt und der zugehörigen Stiftung aber nicht recht warm.

Kaunas bemüht sich um Wandel

In der zweitgrößte Stadt Litauens erfolgt der Startschuss ins Kulturjahr am 22. Jänner.  Modern und europäisch will sich Litauens zweitgrößte Stadt präsentieren, mit viel Kultur, Geschichte und Selbstbewusstsein. Dies soll helfen, weiter aus dem langen Schatten der Hauptstadt Vilnius herauszutreten, die 2009 den Titel der Kulturhauptstadt trug.

Die Rivalität hat eine lange Geschichte, denn Kaunas diente nach dem Ersten Weltkrieg von 1919 bis 1940 als provisorische Hauptstadt der neugegründeten Republik Litauen.Doch dann wurde der Baltenstaat von der Sowjetunion besetzt und Vilnius wieder Hauptstadt. Die dunkle Geschichte des Zweiten Weltkriegs, der Holocaust an litauischen Juden und die sowjetische Besatzung belasten die Stadt bis heute. „Kaunas verlor seinen Ruhm, seinen Stolz und wurde eine sehr traurige Stadt“, sagt die Kulturhauptstadt-Direktorin Virginija Vitkiene. Diese lange verborgenen Traumata sollen rund 30 Jahre nach der wiedererlangten Unabhängigkeit Litauens nun im Kulturhauptstadtjahr angegangen werden.

Kernstück des Programms ist die Trilogie „Mythos von Kaunas“- eine an drei Wochenenden stattfindende Veranstaltungsreihe. Gestaltet von Künstlern aus Litauen und dem Ausland, soll eine neue verbindende und identitätsstiftende Legende für die 300.000 Einwohner zählende Stadt geschaffen werden. Unter den Themen „The Confusion“ (19. bis 23. Jänner), „The Confluence“ (20. bis 22. Mai) sowie „The Contract“ (25. bis 27. November) sind Konzerte, Ausstellungen, Feuer- und Lichtshows und vieles mehr geplant. Nicht wenige davon drehen sich um die neu erfundene Bestie von Kaunas - eine Art Maskottchen.

Kaunas will seinen Ruf als "traurige Stadt" verlieren.
Kaunas will seinen Ruf als "traurige Stadt" verlieren.(c) imago images/Scanpix

Insgesamt sollen im Kulturhauptstadtjahr mehr als 40 Festivals, 60 Ausstellungen und jeweils über 250 Veranstaltungen der darstellenden Künste und Konzerte stattfinden. Zu den Höhepunkten gehören die Einzelschauen von Künstlern wie William Kentridge, Yoko Ono und Marina Abramović und eine Theaterinszenierung von Robert Wilson.

Esch erzählt Geschichte

In der luxemburgischen Kulturhauptstadt Esch wird unter dem Motto „Remix Culture" ab 26. Februar die Gechichte einer Region erzählt. Rund 160 Projekte mit mehr als 2.000 Events sind es, die die Stadt im Süden Luxemburgs zusammen mit Gemeinden im angrenzenden Frankreich teils grenzüberschreitend plant. „Das ist eine große Chance für Esch und für die ganze Region, zu zeigen, dass wir auch Kultur können", sagt Bürgermeister Georges Mischo, Präsident von Esch2022. Bisher habe es Kulturfans immer in die Hauptstadt Luxemburgs gezogen.

Das solle sich nun ändern: Auf dem Programm stehen Theater, Ausstellungen, Tanz, Performances, Workshops und digitale Kunst - mit verschiedenen Schwerpunkten in den beteiligten Orten: In Luxemburg sind elf Gemeinden, in Frankreich acht Gemeinden mit insgesamt rund 200.000 Einwohnern im Boot. Für Esch2022 mit dem Schwerpunkt auf Zeitgenössischem hat Esch viel Geld in die Hand genommen. 32 Millionen Euro seien für Umbauten, Renovierungen und Infrastruktur geflossen. Weitere 10 Millionen Euro gab die Stadt zum Projekt, vom Staat kamen 40 Millionen Euro.

Thematisch geht es um das, was die Region eint: Eine gemeinsame industrielle Geschichte aus Erz und Stahl, die kulturelle Vielfalt - und Visionen für ein grenzenloses Europa. Durch das „Remixen" in verschiedenen Kategorien (Kunst, Europa, Natur) soll Neues entstehen und – vor allem – die Öffentlichkeit zum Mitmachen bewegt werden. Nicht nur kulturell, sondern auch touristisch soll Esch2022 der Region einen Schub verleihen.

Einkaufsstraße im luxemburgischen Esch.
Einkaufsstraße im luxemburgischen Esch.(c) imago images/Andia

Die Macher haben Buntes für alle Sinne im Angebot: vom Europäischen Fantastikfestival über kulinarischen "Geschmack der Region", grenzüberschreitendes Theater, Ausstellungen zum industriellen Erbe, moderner Musik bis zum Feuerfestival. Vor dem offiziellen Start läuft bereits ein Aufwärmprogramm in den Regionen. Die lokale Kunstszene ist dabei ebenso eingebunden wie internationale Spitzenkünstler - mit Veranstaltungen, die nicht besser passen könnten: Wie das mehrsprachige Theaterstück „Idiomatic“ im Escher Theater Ende Jänner, in der fünf Schauspieler fünf verschiedene Sprachen sprechen.

(APA/dpa/red)

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