Tiny House

Der Hype ums Tiny House

(c) Marin Goleminov
  • Drucken

Mikrohäuser erfuhren in den vergangenen zehn Jahren einen Aufschwung. Sie stehen für eine kostengünstige und ökologische Lebensweise und bieten eine Alternative zu den herkömmlichen Wohnformen. Doch was steckt hinter dem Trend?

Die Österreicher haben mehr Platz in ihren eigenen vier Wänden als früher. Knapp 100 Quadratmeter groß war der Statistik Austria zufolge eine durchschnittliche Wohnung im Jahr 2020. Das ergibt pro Person durchschnittliche 45,5 Quadratmeter Wohnfläche – ein Plus von knapp zwei Quadratmetern im Vergleich zu 2010 oder fast fünf Quadratmetern verglichen mit 2004.

Und das ist nicht das Einzige, was gewachsen ist: Es leben auch immer mehr Personen allein in einer Wohnung. So stieg die Zahl derer, die in einem Einpersonenhaushalt leben, von 768.000 im Jahr 1985 auf 1,5 Millionen im Jahr 2020. Das bedeutet, dass aktuell jeder dritte Österreicher allein in einem Haushalt lebt. Anders ausgedrückt: Die Haushaltsgrößen schrumpfen, die Wohnungsgrößen steigen.

Hinzu kommt ein drittes Wachstum: jenes nach Bedarf an Wohnraum. In den vergangenen 20 Jahren stieg die Bevölkerungsanzahl in Österreich kontinuierlich von 8,03 Millionen im Jahr 2001 auf 8,37 Millionen im Jahr 2011 und auf 8,93 Millionen im Jahr 2021. Bis 2025 soll laut Prognose der Statistik Austria die Neun-Millionen-Marke durchbrochen werden. Eine Entwicklung, die höhere Mieten mit sich bringt: So kletterte der Quadratmeterpreis in den vergangenen 15 Jahren von 3,8 Euro im Jahr 2005 auf 6,2 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2020.

Die Folge: Immer mehr Menschen suchen nach alternativen und leistbareren Wohnlösungen. Ein Weg, den im vergangenen Jahrzehnt viele dabei eingeschlagen haben, führt zum sogenannten Tiny House. Der Trend hat seinen Ursprung in den USA der 1970er-Jahre, als Architekten begannen, sich mit dem Leben in kompakten Wohnräumen zu beschäftigen. Frühe Pioniere waren Lloyd Kahn, Autor des Buchs „Shelter“, und Lester Walker mit seinem Buch „Tiny Houses“. 1997 veröffentlichte Sarah Susanka ihr Buch „The Not So Big House“ und startete damit eine Gegenbewegung gegen den herkömmlichen Wohnbau – für bessere und nicht größere Wohnarchitektur.

Zunächst sollten Tiny Houses eine mobile und günstige Wohnmöglichkeit auf mindestens vier Rädern sein, welche es den Bewohnern ermöglicht, ihren Standort nach Belieben zu wechseln. Mit der Zeit entwickelte sich das Konzept jedoch zu einer stationären Wohneinheit mit sehr kleiner Grundfläche.

Ab der Finanzkrise 2007 kam es in den USA mit dem Platzen der Immobilienblase zu einem wahren Tiny-House-Boom – der bis heute anhält. Mittlerweile gibt es Tiny-House-Blogs, -Fernsehshows und -Bücher. Die Größe eines Tiny House schwankt zwischen 15 und 45 Quadratmetern.

Der Trend hin zum Tiny House ist aus einer Not heraus geboren worden, um die generellen Kosten für Wohnen zu reduzieren. Kaum verwunderlich also, dass er auch in Österreich Fahrt aufnimmt. Immerhin: Das Konzept lässt Menschen mit geringerem Einkommen den Traum eines Eigenheimes leben. Dafür wird auch in Kauf genommen, dass der Wohnraum sehr viel strukturierter geplant werden muss, um die gleiche Qualität wie bei einer geräumigen Wohnung oder einem geräumigen Haus zu bieten.

Doch sind die kleinen Häuser tatsächlich mit geringeren Kosten verbunden? Auf der Website stadt-wien.at wird der Preis eines Tiny Houses je nach Art, Größe und Ausstattung mit 45.000 Euro bis 140.000 Euro angegeben. Er setzt sich demnach aus Grundstücks- bzw. Baugrundkosten, Grundstückerschließung, Gebäudeplanung, Baukonstruktion, Versorgungstechnik, Außenanlagen, Innenausstattung und Baunebenkosten zusammen. Ein Blick auf die Grundstückpreise in Österreich zeigt aber deutlich auf, dass diese Rechnung nur selten aufgeht. Weiters macht es einen erheblichen Unterschied, ob ein Tiny House schlüsselfertig von einem Unternehmen verwirklicht wird oder dieses in Häuslbauer-Manier selbstständig errichtet wird.

Steigende Zahl an Anbietern

Mit den Jahren hat auch die Zahl der Anbieter von Tiny Houses und Häusern mit geringer Wohnfläche auf kleinen Grundstücken zugenommen. Einer von ihnen ist die Riwo Immobilien GmbH mit ihrer Seite tinyhaus.co.at. Die Firma mit Sitz in Kärnten bietet unterschiedliche Modelle von Tiny Houses an, die beliebig erweitert werden können. Durch die modulare Bauweise aus alten Schiffscontainern sollen diese besonders nachhaltig sein. Die Preise beginnen bei 40.000 Euro. Allerdings: Der Preis des Grundstücks, auf dem das Tiny House stehen soll, ist darin nicht inkludiert. Um dieses muss sich der Käufer bei der Anschaffung selbst kümmern.

Ein weiterer Anbieter auf dem Tiny-House-Sektor ist Theresa Mai mit ihrer Firma Wohnwagon. Sie verspricht auf ihrer Website „individuelle Lösungen für natürliches Wohnen“, und das regional produziert – mit ökologischen Baustoffen. Eine Ankündigung, die sich auch monetär ausdrückt: Die verschiedenen Modelle bewegen sich zwischen 50.000 und 180.000 Euro. Ein entscheidender Faktor ist dabei, wie viel beim Aufbau und der Gestaltung des Wohnwagons selbstständig übernommen wird, aber auch der Autarkiegrad, der vom Käufer angestrebt wird, da zusätzliche Anlagen wie beispielsweise für Fotovoltaik zu höheren Anschaffungskosten führen.

Do it yourself als preiswerte Alternative

Neben den offiziellen Anbietern gibt es eine Reihe von Do-it-yourself-Projekten. Eines von ihnen hat die Villacher Studentin Maria Kravanja verwirklicht, die sich aus einem Wohnwagenanhänger vom Schrottplatz ein Tiny House gezimmert hat – ohne handwerkliche Vorkenntnisse. Der Anlass: ein selbstständiges Leben in einem Minihaus bei möglichst geringem finanziellen Aufwand. Im Gespräch mit wohnglück.de meinte die Studentin 2020: „Mein eigenes mobiles Haus zu haben, es selbst aus vor allem recycelten Materialien und ohne Bodenversiegelung zu bauen, dann nicht viel Zeug haben zu können (was ja auch meist irgendwo mit dem Aufwand von Ressourcen nicht besonders umweltfreundlich produziert wird), da der Platz in meinem Haus begrenzt ist, mich damit auf das Wesentliche im Leben zu fokussieren – das ergab für mich Sinn!“

Die Kosten für den Bau ihres Tiny Houses beziffert die Studentin mit 3500 Euro bei einer Wohnfläche von 10,5 Quadratmetern. Doch mit dem Bau ist das Thema nicht abgeschlossen: Nach wie vor beschäftigt Kravanja die Suche nach geeigneten Abstellplätzen. Denn: Das Grundstück, auf dem das Tiny House abgestellt wird, muss über eine entsprechende Widmung verfügen. Konkret: Die Minihäuser unterliegen in Österreich dem Baurecht, weshalb eine Bewilligung von der betreffenden Gemeinde eingeholt werden muss – gewährt wird diese jedoch nur selten. Kravanja durfte ihre Behausung bei einer Verwandten aufstellen. Will sie damit umherreisen, bleiben ihr derzeit als einzige Alternative Campingplätze.

Damit aber nicht genug der Bürokratie: Zu den baurechtlichen Vorgaben, die ein Tiny House zu erfüllen hat, zählt auch, dass bei der Gemeinde (wie bei einem normalen Hausbau) Skizzen und Pläne zur Überprüfung einzureichen sind. Ängstigen sollten sich Mini-Hausbauer davor nicht, meint Theresa Mai von Wohnwagon im Gespräch mit der „Presse“: „Wenn man sich an das Gesetz hält, ist es flexibel genug.“

Wohnen für den Klimaschutz

Für einige Anhänger der Bewegung ist die Reduktion des eigenen Wohnraums nicht nur eine Antwort auf den Wohnraummangel. Eigentümer entscheiden sich längst nicht mehr nur aus finanziellen Gründen für das Downsizing der eigenen vier Wände. Laut Klimaschutzbericht wies der Sektor Gebäude im Jahr 2019 Treibhausgas-Emissionen in der Höhe von 8,1 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent auf. Damit ist er für rund 10,2 Prozent der Treibhausgasemissionen in Österreich verantwortlich. Der ökologische Aspekt beim kleinen Wohnen rückt immer mehr in den Vordergrund. Die Rechnung scheint einfach: Durch eine nachhaltige Ausstattung wie Solaranlage, Bio-Toilette und Verwendung von bestimmten Pflanzen gelingt es mit einem Tiny House, einen natürlichen Kreislauf zu schaffen. Auch das Weniger an Haus bedeutet weniger CO2-Emissionen. Zunächst einmal betrifft dies den Ressourcenbedarf für den Bau des Hauses selbst. Zum anderen betrifft es den laufenden Betrieb wie den Bedarf an Strom und Heizenergie. Der Heizenergiebedarf hängt direkt von der Größe der zu beheizenden Wohnfläche ab. Mit einer Verkleinerung des Wohnraums lässt sich der ökologische Fußabdruck somit deutlich reduzieren.

Zu diesem Schluss kommt auch die amerikanischen Colby-Universität im Jahr 2015: Mit einem Umzug von einem Haus mit einer amerikanischen Durchschnittsfläche von 241 Quadratmetern in ein baugleiches Haus mit 17 Quadratmetern Wohnfläche würden sich rund 11,8 Tonnen CO2 jährlich einsparen lassen.

Einmal probewohnen

Für alle, denen das Wagnis, ihr Haus oder ihre Eigentumswohnung gegen ein Minihaus einzutauschen, zu groß ist, gibt es die Möglichkeit, einen Urlaub in einem Tiny House zu buchen, um das Wohnen auf kleinem Raum greifbar und spürbar zu machen. Möglich ist dies bei mehreren Anbietern in Österreich, unter anderem über die Website von Wohnwagon. Dabei wird versucht, in einem autarken Wohnwagon mit Bio-Toilette, PV-Inselanlage, Grünkläranlage, stromloser Espresso-Maschine etc. das Zukunftskonzept des Tiny House für jeden näherzubringen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Klimakrise

Wohnen im Speckgürtel: „Der Kompromiss ist das Klima“

Die Wahl der Wohnform hat großen Einfluss auf den ökologischen Fußabdruck. Das Einfamilienhaus im Speckgürtel schneidet beim Ressourcenverbrauch besonders schlecht ab. Mehr Fläche, ein hoher Energieverbrauch und längere Wege treiben die CO2-Emissionen in die Höhe.
Wohntrends

Cottagecore – die digitale Dorfidylle

Der Internettrend Cottagecore romantisiert ein ländliches Leben wie zu Großmutters Zeiten und spricht dabei vor allem junge Menschen in sozialen Medien an.
Digitale Nomaden

Nomaden der Gegenwart

Digitale Nomaden sind frei, flexibel und überall auf der Welt zu Hause. So lautet jedenfalls das angestrebte Ideal dieses Lebens- und Arbeitsstils. Anna Oladejo und Fabio Hildenbrand sind zwei von ihnen.
Zuwanderung

Der lange Weg von der Einreise zur eigenen Wohnung

Für Zugewanderte ist eine stabile Wohnsituation die Basis für das Mitwirken an der Gesellschaft. Die Suche nach dem Zuhause kann jedoch durch vieles erschwert werden. Nicht zuletzt, weil geförderte Wohnungen nicht für alle gleichermaßen zugänglich sind.
Frauen

Jung, weiblich, alleinerziehend – willkommen im Wohnprekariat

Frauen haben auf dem Wohnungsmarkt schlechte Karten, insbesondere, wenn sie alleinerziehend sind. Warum ist das so? Gibt es Hilfe für Ein-Eltern-Haushalte? Und wie sollte zeitgemäßer Wohnbau für diese Zielgruppe aussehen? Eine Besichtigungstour.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.