Ukraine-Krise

Baerbock: Deutschland bereit, einen hohen wirtschaftlichen Preis zu zahlen

Annalena Baerbock traf in Kiew ihren Amtskollegen Kuleba.
Annalena Baerbock traf in Kiew ihren Amtskollegen Kuleba.REUTERS
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Schallenberg und Baerbock reisen separat in die Ostukraine und Kiew – und Olaf Scholz besucht Washington. Emmanuel Macron schlüpft als Krisenmanager in die Rolle Merkels und trifft Wladimir Putin.

Zu Wochenbeginn schwärmten Europas Politiker in die ukrainische Krisenregion, nach Moskau und Washington aus, um nach der olympiabedingten Pause rund um die Eröffnung der Winterspiele in Peking eine Turbo-Diplomatie zu forcieren. Vor dem Hintergrund der wachsenden militärischen Konfrontation, einer weiteren russischen Truppenverstärkung und einer Verlegung eines US-Kontingents ins Nato-Partnerland Polen kommt insbesondere Emmanuel Macron eine Schlüsselfunktion zu.

Zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich versucht sich der Präsident als Vermittler zu profilieren und schlüpft immer stärker in die nach dem Abgang Angela Merkels vakante Rolle als europäischer Krisenmanager. Olaf Scholz konnte als deutscher Bundeskanzler das von seiner Vorgängerin hinterlassene Vakuum bisher nicht ausfüllen. Während Scholz am Montag seinen Antrittsbesuch im Weißen Haus bei US-Präsident Joe Biden absolviert, startet Macron zu einer Pendelmission zwischen Moskau, Kiew und Berlin. Nach jüngst drei Telefonaten mit Wladimir Putin hat er sich am Montag persönlich beim Kreml-Chef angesagt – und sich zuvor mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg abgestimmt. Danach wird er am Dienstag in Kiew Wolodymyr Selenskij, den ukrainischen Präsidenten, treffen und anschließend in Berlin nach dessen Rückkehr aus den USA mit Scholz die Lage sondieren.

Es gebe nach Einschätzung des russischen Präsidenten Fortschritte bei der Lösung von Sicherheitsproblemen in Europa. Zu Beginn des Gesprächs mit Macron im Kreml sagte Putin, dass die Fortschritte sich auch auf die Ukraine-Krise bezögen. Moskau und Paris hätten gemeinsame Bedenken, was die Sicherheitslage in Europa angehe.

Innenpolitisch könnte es momentan nicht besser laufen für Macron. Im linken wie im rechten Lager zerfleischen sich seine Rivalen, während er auf der EU-Bühne seine außenpolitischen Aktivitäten vorantreibt – und die Nation mit der formellen Ankündigung seiner Kandidatur für die Wiederwahl warten lässt. Er setzt auf das richtige Timing und einen möglichen Verhandlungserfolg.

Lokalaugenschein im Donbass

Zugleich lancieren auch die Außenminister Österreichs und Deutschlands – getrennt voneinander – eine diplomatische Initiative in der Ukraine. Alexander Schallenberg reist am Montag mit seinen Kollegen aus Tschechien und der Slowakei erst an die sogenannte Kontaktlinie in die Ostukraine und möglichst zu einem Lokalaugenschein in den von pro-russischen Kräften kontrollierten Donbass. Danach geht es zu Beratungen mit der Regierung in Kiew.

Für Schallenberg steht „ein starkes Signal der zentraleuropäischen Solidarität“ im Vordergrund. „Wenn es um die territoriale Integrität eines souveränen Staats geht, werden wir niemals schweigen.“

In Kiew können sich Präsident Selenskij und sein Außenminister kaum vor Anfragen retten. Waren in der Vorwoche – nebst anderen – Boris Johnson, der Niederländer Mark Rutte, der polnische Premier und Recep Tayyip Erdoğan zu Gast, so sind es nun neben Macron die mitteleuropäischen Außenminister sowie ihre Kollegen aus Berlin und Paris. Für Mittwoch hat sich Zbigniew Rau, Polens Außenminister, avisiert.

Keine einheitliche Linie in Kiew

Nach demonstrativer Gelassenheit und Kritik an der angeblichen Alarmstimmung im Westen hat der ukrainische Präsident zuletzt in den Chor der Mahner eingestimmt und vor einem „Krieg auf europäischer Ebene“ gewarnt. Das Krisenmanagement in Kiew lässt eine einheitliche Linie vermissen.

Annalena Baerbock, die deutsche Chefdiplomatin, macht sich innerhalb von drei Wochen schon ein zweites Mal ein Bild von der Lage in der Ukraine – was ihr in Berlin Kritik von Ex-Kanzler Gerhard Schröder eingebracht hat. Entgegen einer ersten Ankündigung wird Baerbock bei ihrem Besuch doch nicht mit dem ukrainischen Staatspräsidenten Selenskij zusammenkommen. Stattdessen sei nun eine Begegnung mit Ministerpräsident Denys Schmyhal geplant, heißt es in diplomatischen Kreisen. Als Grund wurden terminliche Schwierigkeiten genannt.

Russland müsse mit „harten Maßnahmen“ rechnen

Sie hat eine deutliche Botschaft an Russland mit im Gepäck. Sie bekräftigte, im Falle von Sanktionen gegen Russland "einen hohen wirtschaftlichen Preis zu bezahlen". "Es geht um die Sicherheit der Ukraine", sagte Baerbock am Montagnachmittag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba. Dieser betonte bei dem Treffen in Kiew die Souveränität seines Landes. Bei einer Eskalation im Ukraine-Konflikt habe Deutschland mit seinen Partnern "eine Reihe von harten Maßnahmen" gegenüber Russland vorbereitet, betonte Baerbock. Kuleba nannte des Gespräch mit Baerbock gelungen und vertrauensvoll.

In der Hauptstadt der Ukraine geben sich die EU-Politiker dieser Tage die Klinke in die Hand. So deutlich haben sie selten ihre Solidarität bekundet. Und trotz unterschiedlicher Nuancen in der Sanktionen-Frage ist dies ein Zeichen, dass sie sich von Moskau nicht auseinanderdividieren lassen wollen.

AUF EINEN BLICK

Diplomatische Mission. Mit den Außenministern Tschechiens und der Slowakei reist Alexander Schallenberg zu einem Trip in die Ukraine. Einer Stippvisite in der Ostukraine am Montag folgen am Dienstag politische Gespräche in Kiew, wo sich die Minister die Klinke in die Hand geben.

(vier/Ag.)

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