Macron und Putin verhandelten über Schritte zur Deeskalation der Ukraine-Krise. Frankreich spricht von einem Verhandlungserfolg, Russland dementiert. Das Normandie-Format soll jedenfalls gestärkt werden.
Hat Emmanuel Macron bei seinem mehr als fünfstündigen Gespräch im Kreml mit Wladimir Putin einen Etappenerfolg erzielt? Der russische Präsident Putin hat nach französischen Angaben angeblich zugesagt, auf absehbare Zeit keine weiteren Manöver an der ukrainischen Grenze abzuhalten. Putin habe auch versichert, russische Truppen nach dem gemeinsamen Militärmanöver mit Belarus von dort wieder abzuziehen, sagte ein französischer Regierungsvertreter am Dienstag.
Putin selbst erwähnte diese Zugeständnisse bei der Pressekonferenz indessen nicht. Und Kreml-Sprecher Dmitri Peskow dementierte die Zusage für einen Stopp neuer Manöver. Offensichtlich ist dies jedoch Gegenstand der Verhandlungsmission Macrons zwischen Moskau und Kiew. Der französische Präsident schreibt es sich zugute, zur Deeskalation in der Ukraine-Krise beigetragen zu haben.
Wie die Nachrichtenagentur Interfax meldete, sind sechs russische Kriegsschiffe auf dem Weg vom Mittelmeer zu Übungen im Schwarzen Meer. Russland hatte zu Beginn des Jahres zahlreiche Marine-Manöver für Januar und Februar angekündigt.
Gespräche im Normandie-Format
Nach französischer Darstellung sind Putin und Macron auch übereingekommen, die diplomatischen Bemühungen zur Lösung der Ukraine-Krise im sogenannten Normandie-Format zu intensivieren. Neben der Ukraine und Russland gehören als Vermittler auch Frankreich und Deutschland dieser Gruppe an. Am Dienstagnachmittag will Macron in Kiew mit Präsident Wolodymyr Selenskij und am Abend mit Olaf Scholz in Berlin über sein Gespräch in Moskau beraten.
Russland hat an der Ostgrenze der Ukraine mittlerweile mehr als 100.000 Soldaten stationiert. Den Vorwurf des Westens, eine Invasion vorzubereiten, weist die Regierung in Moskau zurück. Stattdessen verlangt Russland von den USA und der Nato Sicherheitsgarantien wie etwa die Zusage, dass die Ukraine dem transatlantischen Militärbündnis nicht beitreten wird. Die Allianz lehnt dies ab. Russland plant ein gemeinsames Manöver mit Belarus vom 10. bis 20. Februar und hat zu diesem Zweck nach Angaben der Nato etwa 30.000 Soldaten in das Nachbarland verlegt. Es gibt Befürchtungen, dass diese nach der Militärübung nicht wieder abgezogen und in Belarus bleiben sollen.
Kiew ortet weiterhin militärische Bedrohung
Trotz der diplomatischen Bemühungen sieht Kiew weiter eine potenzielle Bedrohung angesichts des Aufmarschs russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine. "Die Lage ist unverändert, wir sehen keine Anzeichen eines Rückzugs", sagte am Dienstag Außenminister Dmytro Kuleba nach einem Treffen mit seinen Amtskollegen aus Österreich (Alexander Schallenberg), aus der Slowakei (Ivan Korcok) und Tschechien (Jan Lipavsky) in Kiew. Diese unterstrichen unisono ihre Solidarität mit der Ukraine.
Ziel Moskaus sei es, sein Land zu destabilisieren, sagte Kuleba. "Russland will keine starke Ukraine. Wir sind offen für einen Dialog, aber gewisse rote Linien könne nicht überschritten werden." Kuleba unterstrich, dass beispielsweise ein EU-Beitritt nach wie vor angestrebt werde. "Auch wenn wir wissen, dass das ein schwieriger Prozess ist."
Baerbock an der Frontlinie
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat sich unterdessen an der Frontlinie zwischen ukrainischen Regierungstruppen und den von Russland unterstützten Separatisten über die Lage im Konfliktgebiet Donbass informiert. Geschützt mit Helm und schusssicherer Weste ließ sie sich am Dienstag von einem Kommandanten der ukrainischen Regierungstruppen die aktuelle militärische Lage erklären.
Am Vortag hatte bereits das Trio Schallenberg, Lipavsky und Korcok die so genannte Kontaktlinie besucht.
„Wir schauen nicht weg"
Baerbock hatte am Montag bei ihrem Auftritt mit dem ukrainischen Außenminister Kuleba in Kiew über ihre Reise an die Frontlinie gesagt: „Ich will dabei ein klares Signal senden: Wir, gemeinsam als Europäerinnen und Europäer, schauen nicht weg. Wir vergessen nicht die Menschen, um deren Schicksal es in diesem Konflikt geht. Und wir stehen an der Seite der Ukraine."
Im Anschluss war ein Treffen Baerbocks mit Vertretern der Sonderbeobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ukraine geplant. Es ist die mit etwa 1300 Mitarbeitern größte OSZE-Mission, an der Beobachter aus 44 Teilnehmerstaaten teilnehmen, darunter laut Angaben des Bundesheeres auch ein Vertreter Österreichs.
(DPA/Reuters)