150 Milliarden Euro Investitionen geloben die EU-Spitzen, können ihre Herkunft aber nicht aufschlüsseln. Das Chaos in West- und Zentralafrika umschiffen sie.
Hebeln: Das archimedische Prinzip, durch gezielten Krafteinsatz große Lasten bewegen zu können, beseelt schon seit Längerem die politischen Planer der EU in Brüssel. Jedes Mal, wenn der finanzielle Aufwand für ein neues Vorhaben beziffert wird, heißt es, jeder Euro, der auf diesem Weg ausgegeben wird, wirke wie ein Hebel für so und so viel weitere. Das zweitägige Gipfeltreffen zwischen Europäischer und Afrikanischer Union am Donnerstag und Freitag in Brüssel veranschaulicht dieses Phänomen: Vor einer Woche sagte Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, in Senegals Hauptstadt Dakar, die Union werde 150 Milliarden Euro an Investitionen in die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas investieren.
Woher genau dieses Geld kommt, wofür es eingesetzt werden soll und wie viel davon in Wahrheit eigentlich schon verplante Mittel sind, die ein neues Mascherl bekommen, darüber schweigt die Kommission. Und zwar nicht nur gegenüber Journalisten. „Frau von der Leyen hat die 150 Milliarden Euro erwähnt. Wir haben das nie getan – weil wir diese Zahl nicht haben“, sagte ein EU-Botschafter diese Woche. Immerhin so viel erklärt die Kommission: diese Summe stamme aus dem „Global Gateway“-Projekt, einer europäischen Antwort auf Chinas geopolitisch getriebenes Infrastrukturprogramm der Neuen Seidenstraße („Belt and Road“). 300 Milliarden Euro solle es dafür geben. Der Botschafter war davon unbeeindruckt: „Das wirft nur die Frage auf: Wie ist ,Global Gateway‘ eigentlich zusammengesetzt?“