Die bisher größte Retrospektive auf den chinesischen Künstler und Menschenrechtsaktivisten zeigt ihn nicht nur als mahnendes Moralgewicht, sondern auch in seiner tiefen Verwurzelung in der westlichen Kunstgeschichte.
Direkt unter seiner Neonleuchtschrift „Fuck“ stand er Dienstagvormittag also wirklich, Ai Weiwei, freundlich den Einführungen eines Museumsdirektors (Klaus Albrecht Schröder) und zweier Kuratoren (Elsy Lahner, Dieter Buchhart) lauschend. Schließlich richtet ihm ausgerechnet die Albertina Modern am Karlsplatz die bislang umfangreichste Retrospektive auf sein Werk aus. 150 Werke. 50 Tonnen. 40 Jahre Kunst als politischer Widerstand auch im materiellen Sinn. Die Ausstellung ist inhaltlich an diesem Ort schlicht nicht zu erklären. Aber sie wird einen Besucherrekord bringen. Und das ist gut so, trifft sie doch in vielem den Punkt unserer Zeit. Besser, sie hier und jetzt zu haben, als gar nicht.
Ai Weiwei hat die international gewichtigste Stimme der Gegenwartskunst. Was mehr auf seiner öffentlichen Person, auf seine Biografie als in China politisch Verfolgter, auf seinem Menschenrechtsaktivismus beruht, als auf seinen Werken. Der Großteil kennt sie nicht, die anderen glauben, sie zu schnell zu verstehen. Sie führen einen auch in Versuchung, den leichten Weg zu nehmen, sie als plakative, als formelhafte Forderungen nach Frieden und Freiheit abzutun. Ein schwarzes Flüchtlingsboot, übergroß zum Monument aufgeblasen etwa – es will nicht das Dargestellte verewigen, nein, vielmehr unseren Horror davor. Oder besagte Leuchtschrift „Fuck“, die in seinen später geschliffenen Studios in Peking hing. Es karikiert die berühmte Selfieserie des Künstlers, bei der er Gebäuden der politischen und kulturellen Macht den Mittelfinger zeigte, zur Marke.