Kadyrow: Mord-Angeklagter als "Friedensstifter"

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Zweiter Tag im Geschworenenprozess um den Tod von Umar Israilow. Verteidiger Rudolf Mayer will nicht nur Kadyrow, sondern auch den russischen Premier Wladimir Putin als Zeugen hören.

Wien. Ramsan E. aus Grosny, Tschetschenien, reiste am 6.Mai 2005 illegal nach Österreich ein, suchte um Asyl an und ließ sich in St. Pölten nieder. Der dreifache Vater beschäftigte sich als Autohändler und Versicherungsmakler. Ihm wurde relativ rasch Asyl gewährt. Dann nahm er einen österreichischen Namen an. Er heißt seither, durchaus landestypisch, Otto K. Nun steht der 42-Jährige als Anstifter zum Mord an seinem Landsmann Umar Israilow vor Gericht. „Ich habe mit dieser Tragödie nichts zu tun“, sagt K. Und stellt sich als Friedenshüter und emsigen Wodka-Konsumenten dar.

Zweiter Tag im Geschworenenprozess um den Tschetschenen-Mord vom 13. Jänner 2009. An jenem Tag wurde der Flüchtling Israilow, Kritiker des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, durch drei Schüsse auf offener Straße in Wien Floridsdorf hingerichtet. Otto K., der als enger Vertrauter von Kadyrow gilt (ein Foto zeigt ihn in inniger Umarmung mit dem Despoten), soll die Aktion eingefädelt haben. Kadyrow steht – wie berichtet – im Verdacht, der eigentliche Drahtzieher gewesen zu sein.

Otto K. war noch in der Nacht vor der Bluttat mit Letscha B., dem Todesschützen (ihm gelang die Flucht nach Tschetschenien), und einem weiteren – nun angeklagten – Helfer zusammen. Die angeblichen Umstände dieses Treffens schildert K. auf so abenteuerliche Art, dass sich einige Geschworene ein Lächeln nicht verkneifen können. Letscha B. und der erwähnte weitere Helfer, Suleyman D., (36) – er erhielt laut Staatsanwalt eine nachrichtendienstliche Ausbildung durch ehemalige KGB-Agenten – sollen in jener Nacht überraschend vorbeigekommen sein.

Auch Putin soll aussagen

K. will von den Männern gefragt worden sein, ob er nicht mit nach Sollenau fahren wolle. Dort gelte es, einen Streit um eine Frau zu klären. K. will sich spontan bereit erklärt haben, seine beiden Bekannten zu begleiten, habe schnell eine Flasche Wodka geholt und sei ins Auto gestiegen. Während der Fahrt habe er sich aber derart betrunken, dass er praktisch nicht mehr mitbekommen habe, was um ihn herum passiert sei. Am nächsten Morgen hätten dann seine beiden Bekannten eigenmächtig sein Auto genommen und seien damit geradewegs zum Tatort gefahren. Dies habe er aber erst im Nachhinein mitbekommen.

Auf Fragen von Richter Friedrich Forsthuber, wie K. die vielen Telefonate erkläre, die er kurz vor dem Attentat mit zwei mutmaßlichen Mittätern geführt habe, schweift K. auf völlig belanglose Themen ab. Er habe jedenfalls mit dem Attentat nichts zu tun. Er betätige sich innerhalb der tschetschenischen Community in Österreich als „Friedensstifter“.

Auch Kadyrow sei unbeteiligt. Und überhaupt: Man höre über Tschetschenien „nur Negatives“, dies entspreche nicht dem wahren Bild des Landes. Die international kritisierten Menschenrechtsverletzungen will K. nicht bestätigen. Präsident Kadyrow wünsche, dass alle Flüchtlinge zurückkehrten. „Wenn sie keine Unterkunft haben, werden sie eine bekommen.“

Verteidiger Rudolf Mayer will nicht nur Kadyrow, sondern auch den russischen Premier Wladimir Putin als Zeugen hören. Mayer hat bereits einen entsprechenden Antrag vorbereitet. Denkbar ist, dass zumindest Kadyrow per internationaler „Rechtshilfe“ von russischen Behörden befragt und dieses Protokoll nach Wien übermittelt wird. Die Verhandlung wird heute, Donnerstag, fortgesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2010)

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