Ivo Daalder, US-Botschafter bei der Nato in Brüssel, im „Presse“-Gespräch über seine Erwartungen zum Gipfel der Nordatlantischen Allianz in Lissabon.
Die Presse: Herr Botschafter, was soll dieser Gipfel eigentlich bringen?
Ivo Daalder: Erfolg, und der würde sich in diesen Schlagzeilen ausdrücken: nach dem ersten Tag „Nato: Neubelebung als Allianz des 21. Jahrhunderts geglückt“. Nach Tag zwei: „Nato zu Sieg in Afghanistan entschlossen“. Was heißt Ersteres? Dass wir eine überzeugende Story haben, dass die Allianz jetzt und künftig so wichtig sein wird wie im und kurz nach dem Kalten Krieg. Dazu müssen wir eine Strategie schreiben, die ausdrückt, wofür die Nato steht, wieso sie besteht und wie sie den Menschen darin dient. Früher war's einfach: Es gab eine klare Gefahr und dagegen die Allianz, heute sind Gefahren meist unscharf, unberechenbar. Sie können als Bits aus dem Internet kommen, als Raketen oder Menschen mit Bombengürteln. Die Nato muss klarstellen, wie sie darauf reagiert. Dazu gehören gemeinsame und nationale Militärkapazitäten der Mitglieder und Kooperationen mit Dritten, etwa Partnerschaften mit Staaten wie Russland und Kasachstan, Schweden und Australien, dazu Dialog mit arabischen Staaten und Israel. Wir wollen die Beziehungen ausweiten, denn unsere Sicherheit fußt auch darin, dass andere so sicher leben wie wir.
Das klingt bisher vor allem nach Papier.
Eine Strategie ist nicht genug, daher muss die Nato mit Taten demonstrieren, dass sie es mit der neuen Zeit aufnehmen kann. Etwa durch eine Institutionenreform, die zeigt, dass jeder Dollar für Verteidigung effektiv investiert wird, durch Änderungen der Kommandostruktur und der Hauptquartiere, sie müssen flexibler und schneller arbeiten, weil sich Bedrohungen schneller manifestieren als früher. Und wir müssen die realen Nato-Kapazitäten stärken, diese unterscheiden die Allianz von einer „Koalition der Willigen“ für den Einzelfall. Die Nato bleibt zusammen, denn sie zahlt für gemeinsame Kommandostruktur, integrierte Luftabwehr, Aufklärungs- und Überwachungs-, Logistik- und Kommunikationssysteme und so fort. Technische Vereinheitlichung ist enorm wichtig: Sogar in US-Delegationen, die aus Leuten vom Pentagon und dem Außenministerium bestehen, kommt es vor, dass die Gerätschaften beider nicht miteinander kompatibel sind.
Wie bewerten Sie Österreich als Nato-Partner? Sind unsere Beiträge ausreichend? Sollten wir mehr tun?
Österreich ist ein geschätztes Mitglied der Partnerschaft für den Frieden. Ihren Beitrag – speziell im Kosovo, wo er von zentraler Bedeutung für die Vorgänge in diesem Teil der Welt ist – machen Sie aber nicht, um uns zufriedenzustellen, sondern weil Sie finden, dass es wichtig sei. Es ist nicht Sache der Nato, über Österreich zu urteilen, sondern Sache Österreichs selbst.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2010)