Morgenglosse

Österreich – Neutral bis zur Posse

Wolodymyr Selenskij
Wolodymyr Selenskij APA/AFP/UKRAINIAN PRESIDENTIAL P
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Warum Wolodymyr Selenskij nicht im österreichischen Parlament sprechen soll, kann man erklären - aber nicht verstehen.

Wir wissen nicht, ob Wolodymyr Selenskij Zeit gehabt hätte, im österreichischen Parlament eine (Video-) Rede zu halten.

Wir wissen auch nicht, ob die SPÖ – hätte sie länger nachdenken können – nicht doch für den Vorschlag der Neos gestimmt hätte, den ukrainischen Präsidenten einzuladen.

Was wir wissen, ist, dass aus der ganzen Sache nichts wird. Nicht nur wegen der vagen „Neutralitätsbedenken“ der SPÖ.  Auch die FPÖ war klar gegen die Neos-Idee und unterm Strich ergab das für den Parlamentspräsidenten ein „Nein“, da sich Wolfgang Sobotka auf die (jedoch nicht unumgehbare) Usance der Einigkeit in der Präsidiale berief (diese besteht aus den drei Nationalratspräsidenten und den Klubchefs).

Nie neutral

Dass man diesen Hergang erklären kann, heißt aber freilich nicht, dass man ihn versteht. Im Gegenteil. Die Nicht-Einladung ist unlogisch und traurig und insbesondere die SPÖ hat Erklärungsbedarf.

Unlogisch ist sie, weil sie nicht zu Österreichs Verhalten passt. Wir waren in diesem Konflikt in unserer Haltung nie neutral. Österreich macht zudem im Rahmen der EU-Solidarität auch bei den wirtschaftlichen Sanktionen mit. Und auch wenn wir nicht direkt bei der EU-Finanzierung von Waffen für die Ukraine mitzahlen, so tun wir es indirekt, da der dahinter stehende Fonds auch aus unseren Mitgliedsbeiträgen gespeist wird. Österreichische Spitzenpolitiker haben Täter und Opfer dieses Krieges stets klar benannt. Wo ist also das Problem, wenn Selenskij im Nationalrat spricht?

Und nein, diese Frage geht nicht an die FPÖ, über deren spezielles Neutralitätsverständnis, das schon lange nicht mehr der Praxis entspricht, bereits öfter geschrieben wurde. Sie geht an die SPÖ, deren Zögern überrascht. Die SPÖ weist darauf hin, dass der Vorschlag der Neos nur knapp diskutiert wurde und der stv. SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried sich zudem vertreten ließ. Nachträglich heißt es aus dem SPÖ-Parlamentsklub: „Die SPÖ hat sich auch nicht dagegen ausgesprochen. Eine derartige Entscheidung muss nur wohlüberlegt sein."

Tendenz: schäbig

Doch was gibt es da wohl zu überlegen? Sorgt man sich – das klang zumindest an -, dass eine „mögliche Vermittlerrolle“ Österreichs beschädigt werden könnte? Oder fürchtet man, dass Selenskij  über Unangenehmes spricht? Beispielsweise (wie in Bern bei einer Live-Zuschaltung zu einer Demo) über russische Oligarchen? Oder über die relative Wehrlosigkeit der Neutralität?

Vielleicht liefert Pamela Rendi-Wagner, Parteichefin und außenpolitische Sprecherin, die genauen Gründe bei ihrer Rede zur Lage der Nation am kommenden Sonntag ja noch nach.

Apropos Reden: Es liegt im Wesen solcher Reden (nicht der Rendi-Wagners, sondern Selenskijs), dass sie nicht leicht auszuhalten sind. Hier spricht immerhin ein Verzweifelter, der überall nach Hilfe sucht. Das Mindeste, was man tun kann, ist ihm zuzuhören, während Putin ukrainische Städte von der Landkarte bomben lässt.  Eine Einladung – egal, ob sie angenommen worden wäre oder nicht– wäre zumindest ein anständiger Akt des „Mit-Leidens“, des Anerkennens dieser Tragödie gewesen. Dass diese Einladung nicht erfolgt und wie sie nicht erfolgt, ist hingegen eine rot-weiß-rote Posse. Und zwar eine recht schäbige.

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