Terror: 39 Extremisten in Österreich unter Beobachtung

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Zwei von drei Radikalen gelten als Islamisten und waren teils in Terrorcamps. Der Rest sind Rechts- und Linksextreme sowie Spione. In Österreich besteht trotzdem keine unmittelbare Gefahr für Anschläge.

Wien. Nein, in Österreich besteht keine unmittelbare Gefahr für terroristische Anschläge. Aber: Jene, die praktisch oder ideologisch dazu in der Lage sind, entsprechende Aktionen auszuführen, leben unter uns. Der Staatsschutz kennt einige von ihnen. Wie viele, wurde bisher nicht kommuniziert. Wie „Die Presse“ jetzt erfährt, handelt es sich (Stand: Ende 2009, die aktuellste Zahl) um 39 Personen.

Oder noch genauer: Fälle. Genau so viele führen das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und seine Landesstellen nämlich unter dem Stichwort „erweiterte Gefahrenerforschung“. Zwei Drittel betreffen islamistische Kämpfer. Der Rest sind extremistische Rechte, Linke und Spione ausländischer Geheimdienste.

Bisher hat das Innenministerium stets von einer Zahl im „niedrigen zweistelligen Bereich“ gesprochen und damit Personen gemeint, die sich in Terrorcamps zu Jihadisten („heiligen Kriegern“) haben ausbilden lassen. Erst am vergangenen Dienstag genehmigte der Rechtsschutzbeauftragte des Innenministeriums, Manfred Burgstaller, die Überwachung eines weiteren in Österreich lebenden Camp-Absolventen. 27 Observationen laufen schon länger und wurden aufgrund von Folgeanträgen um weitere sechs Monate verlängert. Zwölf sind neu. In zwei Fällen war dem Rechtsschutzbeauftragten der Verdacht zu vage – er lehnte die Anträge ab.

Burgstaller muss in seiner Funktion alle entsprechenden Aktivitäten des Verfassungsschutzes vorab überprüfen. Maßnahmen der „erweiterten Gefahrenerforschung“ stehen nämlich nicht unter richterlicher Kontrolle. Grund: Diese Art von Observation (zulässig sind neben verdeckter Ermittlung durch einen Beamten auch geheime Ton-, Bild- und Videoaufzeichnungen) richtet sich gegen Personen, gegen die juristisch nichts vorliegt, die aber irgendwann einmal aufgrund ihres Wissens oder ihrer Position innerhalb der Szene eine Gefahr für die Öffentlichkeit werden könnten: konkret sogenannte „Schläfer“, die zu religiös oder weltanschaulich motivierter Gewalt neigen.

„Wir können es uns nicht leisten, Leute, die zu Terroristen ausgebildet wurden, zu ignorieren“, begründet BVT-Direktor Peter Gridling diese speziellen Befugnisse. Laut aktueller Gefahrenanalyse des Staatsschutzes stellen die in Österreich lebenden Jihadisten „derzeit noch keine Gefahr für die Demokratie“ dar. Nach Rücksprache mit den deutschen Behörden stehen die hierzulande observierten Islamisten auch in keiner Verbindung mit den aktuellen Berliner Anschlagswarnungen.

Camp-Teilnahme wird strafbar

In Zukunft sollen Verfassungsschutz und Justiz mehr rechtliches Rüstzeug gegen Terrorcamp-Teilnehmer bekommen. Anders als etwa in Deutschland war die Teilnahme an einem Ausbildungslager hierzulande bisher nicht strafbar. Ab 2011 ist der Besuch entsprechender Camps mit bis zu zehn Jahren Haft bedroht. Ein entsprechender Vorschlag durchlief am Dienstag den Justizausschuss.

Zentrales Kommunikationsmittel der Jihadisten ist das Internet. Die Netzaktivitäten der al-Qaida nahmen zuletzt stark zu, insbesondere die Verbreitung von Propagandamaterial. Das Videoportal YouTube installierte nun eine eigene Zensurabteilung, die ausschließlich damit beschäftigt ist, Clips der Islamisten vom Dienst zu entfernen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2010)

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