Markante Fassade am Eingang der Mariahilfer Straße.
Hausgeschichte

Das Bügeleisen von Gumpendorf

In der Wiener Mariahilfer Straße 127 ließ die Lebensversicherungsgesellschaft Phönix einen der ersten elektrischen Aufzüge Wiens einbauen, 1936 flog ein enormer Betrugsskandal auf.

Eine gewisse optische Ähnlichkeit mit dem „Flatiron Building“ in New York lässt sich wohl kaum leugnen: Der Stilaltbau in der Mariahilfer Straße 127 am Übergang vom Gürtel zur Einkaufsstraße wurde auch fast gleichzeitig wie das amerikanische Bügeleisengebäude, um 1900, errichtet. Und beide beherbergten unter anderem Versicherungsgesellschaften: In Wien wurde das Haus durch den „Phönix-Skandal“ im Jahr 1936 bekannt.

Fassaden-Angleichung

Ursprünglich hatte das Haus, errichtet von Stadtbaumeister Leopold Roth nach Auftrag des Immobilienentwicklers Heinrich Klitsch, zwei unterschiedliche Fassaden: Jene Seite, die vom Gürtel aus zu sehen ist, war prunkvoll geschmückt, die andere schlicht und einfach. „Im Zweiten Weltkrieg wurde das Haus beschädigt und nur das Nötigste wieder instand gesetzt, damit es bewohnbar ist. Der Stuck und die unterschiedlich großen Dachkuppeln wurden eingebüßt“, sagt Michael Schmidt, der das Haus im Jahr 2020 als geschäftsführender Gesellschafter der 3SI Immogroup kaufte: „Wir sind ein Familienunternehmen und behalten das Haus im Familienbesitz.“ In den vergangenen zehn Monaten ließ der Immobilien- und Zinshausentwickler das Haus revitalisieren. Beide Seiten wurden mit handgefertigtem Stuck und Balkongeländern im Alt-Wiener Stil aneinander angepasst. Nachts wird die beige gestrichene Fassade beleuchtet.

Hinauf und hinab

Wegen Lieferschwierigkeiten fehlt die Statue im Stiegenhaus noch: Maria Magdalena, die Namenspatronin des Bezirks, wird demnächst in der Wandeinkerbung neben dem Lift platziert.
Wegen Lieferschwierigkeiten fehlt die Statue im Stiegenhaus noch: Maria Magdalena, die Namenspatronin des Bezirks, wird demnächst in der Wandeinkerbung neben dem Lift platziert.[ Jana Madzigon ]

Der Eigentümer beauftragte zudem eine Agentur damit, die Geschichte des Hauses zu recherchieren. „Früher war die Lebensversicherungsgesellschaft Phönix hier ansässig. Sie ließ 1914 einen der ersten elektrischen Aufzüge Wiens einbauen“, erzählt Schmidt. Während des Ersten Weltkriegs gewann Phönix unter der Leitung von Wilhelm Berliner durch die „Kriegsteilnehmerversicherung“, die die Versorgung der Angehörigen von gefallenen Soldaten sichern sollte, zahlreiche Kunden. In der Zwischenkriegszeit expandierte Phönix, übernahm andere Versicherungsgesellschaften und war schließlich in 23 Ländern tätig. In Österreich zählten neben rund 330.000 Bürgern auch Mitglieder des Kaiserhauses zu den Kunden.

Der große Erfolg war von relativ kurzer Dauer. Wenige Wochen nach dem Tod des Phönix-Generaldirektors Berliner im Jahr 1936 wurden Bilanzfälschungen immensen Ausmaßes öffentlich: Das Defizit betrug Hunderte Millionen Schilling. Angeblich hatten bestochene Beamte, Politiker und Journalisten den Betrug vertuscht – einige von ihnen nahmen sich das Leben, nachdem geheime Bestechungslisten aufgetaucht waren. Die Versicherung ging in Konkurs, etwa 1300 Angestellte verloren ihren Arbeitsplatz – und unzählige Österreicher ihr Erspartes. Der Phönix-Skandal löste ein politisches und wirtschaftliches Erdbeben im austrofaschistischen Schuschnigg-Regime aus.

Neue Burger, alte Bassena

Zum Objekt, zum Ort

Heute befinden sich hier rund 30 Mietwohnungen, eine Zahnarztpraxis und das Burgerlokal Peter Pane. Im Eingangsbereich wurde ein roter Teppich über den Treppen ausgelegt, ein Messingluster montiert und die ehemals grauen feuerfesten Türen aufgepeppt. „Da wir die Türen aus Brandschutz-Gründen nicht austauschen können, haben wir sie mit Stuck verschönert und neu gestrichen“, sagt Schmidt. Die Fliesen sind noch im Original erhalten und stellenweise repariert. „Es sieht nicht perfekt aus, aber das macht den Charme eines alten Hauses aus“, findet Schmidt, der sich selbst als Altbau-Liebhaber bezeichnet. Einige leer stehende Wohnungen wurden ebenfalls renoviert und mit Smart-Systemen ausgestattet. Der Altbau ziehe seine Stil-Liebhaber selbst an, lebe aber nicht allein von der Raumhöhe. Fischgrät-Parkett, Kastenfenster und Flügeltüren gehören genauso dazu.

Im Gang befindet sich wie in vielen Altbauten in jedem Stockwerk noch eine alte Bassena. Das kleine Waschbecken war früher oft die einzige Wasserstelle des Hauses. „Ich gehe davon aus, dass es hier bereits Wasser in den Wohnungen gab, der Hausmeister brauchte die Bassenas aber für die Reinigung“, sagt Schmidt.Das gänzlich vermietete Eckzinshaus in der Mariahilfer Straße 127 (in Gumpendorf, dem westlichen Teil des Bezirks Mariahilf) ist seit 2020 im Besitz des Immobilien- und Zinshausentwicklers 3SI Immogroup. Ursprünglich war es ein Bürogebäude mit Geschäftsladen, heute ist es ein Wohnhaus mit einer Zahnarztpraxis und einem Burger-Lokal.

Für eine neue Eigentumswohnung zahlt man in Mariahilf rund 10.844 Euro/m2, im Bestand ab 6722 Euro/m2. Mietpreise liegen im Schnitt bei 13,44 Euro/m2 .

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