Konferenz

Den Weltmeeren steht das Wasser bis zum Hals

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ocean with thunder clouds on horizon Copyright: xArtemxVarnitsinxArtemxV(c) IMAGO/Artem Varnitsin (IMAGO/Artem Varnitsin)
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In New York brechen entscheidende Tage für die Weltmeere an. Bis Freitag sollen international verbindliche Regeln zum Schutz beschlossen werden. Die Aussichten sind nicht gut.

Die Konferenz, die von den Vereinten Nationen organisiert wird, könnte, genau genommen, beinahe überflüssig sein. Denn seit 40 Jahren gibt es die „UN Convention on the Law of the Sea“, in der auf mehr als 200 Seiten geregelt ist, was erlaubt ist und was nicht. Allerdings: Es gibt viele Schlupflöcher, wenig Überwachung und gleichzeitig geraten die Ozeane der Welt immer stärker in Bedrängnis.

Vor diesem Hintergrund haben vor Jahren Verhandlungen begonnen, um international gültiges und vor allem ernst genommenes Recht zu schaffen, das den Weltmeeren eine Verschnaufpause verschafft und sicherstellt, dass jegliche Nutzung nachhaltig ist und die Ökologie der Ozeane im Gleichgewicht gehalten werden.

Der Zustand der Meere ist besorgniserregend. Es beginnt mit der Fischerei, die in vielen Bereich längst die Grenzen der Nachhaltigkeit überschritten hat: Bestände einzelner Arten werden überfischt und geraten aus dem Gleichgewicht. Die Kontrolle der bestehenden Regeln hat große Schlupflöcher, außerdem sind viele Schiffe auf den Weltmeeren auch illegal unterwegs.

„Schwimmende Bauernhöfe"

Und, es sind auch die Fangmethoden selbst, die dem Meer zusetzen: Etwa die Schleppnetze, die den Boden regelrecht umpflügen. Auch wenn der Marine Stewardship Council (MSC) beteuert, dass dies von der Region abhänge und in vielen Bereichen kein Problem darstelle, weil die Auswirkung die gleiche sei, als gerate das Meereswasser in Bewegung – der wissenschaftliche Nachweis der Unschädlichkeit der Fangmethode steht allerdings noch aus.

An den Küsten wiederum dehnen sich immer stärker die Aquakulturen aus, in denen häufig Antibiotika eingesetzt werden, die das Wasser vergiften – und außerdem verdrängen diese „schwimmenden Bauernhöfe“ die Mangrovenwälder.

Es sind dies Wälder, die ihre Wurzeln halb im seichten Meerwasser und halb im Uferboden schlagen. Sie sind nicht nur die „Krabbelstube“ des Meeres, sondern haben auch eine ausgeprägte und nur in den Mangroven vorkommende Artenvielfalt.

Und schließlich haben diese besonderen Wälder auch eine für Menschen überlebenswichtige Funktion: Sie brechen die Kraft der Wellen, sodass die Wucht von Sturmfluten abgefangen wird. Experten sind sich sicher, dass beim Tsunami Ende 2004 im Indischen Ozean in Regionen, in denen es keine Mangroven mehr gab, die Auswirkungen viel größer waren, und damit auch die Zahl der Opfer.

Die Verschmutzung der Meere hat in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen. Während es mittlerweile zwar verpönt ist, das Meer offen als Müllkippe zu verwenden, so hat die Belastung dennoch zugenommen: Chemikalien oder Mikroplastik seien nur als Stichworte genannt.

Dazu kommt noch, dass bei der International Seabed Authority mittlerweile mehr als drei dutzend Anträge für Tiefsee-Abbau von Mineralien vorliegen; dabei sollen Bodenschätze aus großer Tiefe gefördert werden.

Das wirft Fragen der Folgen für die Tierwelt im Meer, die mögliche Verschmutzung des Meeres und Lärmentwicklung auf. Fragen, auf die es nur wenige Antworten gibt. Und schließlich setzt der chemische Austausch zwischen Atmosphäre und Meereswasser, der durch die steigende Konzentration der Treibhausgase ausgelöst wird, dem Meer immer stärker zu.

Um diese Themen geht es, wenn seit einer Woche die Delegationen über ein Abkommen verhandeln, mit dem die marine Biodiversität „in Gebieten jenseits der nationalen Gerichtsbarkeit“ verhandelt wird – ganz anders als der erste Auftakt zum Jahreswechsel, der auf einen Anstoß Frankreichs zurückgeht: Da hatte sich Präsident Emmanuel Macron dafür stark gemacht, dass in jedem Land ein Drittel des gesamten Territoriums unter Schutz gestellt werde, auch in den Meeren. Nach einigem Tauziehen hatte sich auch Österreich entschlossen, in dieser Staatengruppe von 49 Ländern – der so genannten „High Ambition Coalition“ – dabei zu sein (wie auch alle anderen EU-Mitgliedsstaaten).

Es geht auch um Geld und Gen-Ressourcen

Die Ergebnisse der Konferenz bisher sind allerdings mager: Als erster Knackpunkt hat sich in der ersten Hälfte der Verhandlungen  erwiesen, dass auch in Schutzgebieten Nutzungen möglich sein sollen, sofern sie „nachhaltig“ sind – wobei bei der  Definition dessen, was noch als „nachhaltig“ durchgeht, keine Einigkeit besteht. Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist ebenso Thema wie eine „strategische UVP“, wobei weder das eine noch das andere Thema im Detail ausdiskutiert ist. UVP zielt auf das Einzel-Projekt ab, während die strategische UVP im Idealfall prüft, wie sinnvoll ein Projekt in einen  Gesamtzusammenhang passt. Inwieweit dies auf internationaler Ebene umgesetzt werden kann, ist völlig unklar.

Es geht natürlich auch ums Geld und um den Transfer von marinen Technologien und schließlich auch um die genetischen Ressourcen der Meere. Hier wird der Konflikt zwischen Industriestaaten und den wirtschaftlich schwächeren Ländern ausgetragen.

NGOs wie High Seas Alliance, World Wide Fund for Nature (WWF) oder Greenpeace haben ein klares Bild, was die tragenden Elemente eines internationalen Abkommens ausmachen: Eine der Forderungen ist, dass der Vertragsstaatenkonferenz die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, Gebiete als Schutzzonen auszuweisen und – sofern nötig – Sofortmaßnahmen zu verhängen; in diesem Fall solle auch vom Einstimmigkeitsprinzip abgewichen werden können. Regelungen für die Fischerei müssten im Vertrag enthalten sein. Bei Schutzzonen sei wichtig, dass sie ein sinnvolles Netzwerk rund um den Globus ergeben, sodass sich die marine Umwelt erholen könne.

Ein Drittel der Ozeane bis 2030 unter Schutz zu stellen: Dieses Ziel, das NGOs fordern, und zu dem sich bisher 49 Staaten (zumindest verbal) bekennen, ist noch in weiter Ferne. Ob die Differenzen bis zum kommenden Freitag überbrückt werden können, muss derzeit zumindest als fraglich gelten.

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