Die Winzer jammern: "In Österreich ist das leider so"

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Die Kellerei der Rewe Group in Wiener Neudorf ist die größte Österreichs. Herbert Toifl leitet den Betrieb, in dem 8,5 Millionen Liter Wein lagern und täglich 150.000 Flaschen abgefüllt werden.

Jammern ist bei den Bauern wieder einmal sehr in. Die Winzer sprechen von der kleinsten Ernte seit 20 Jahren. Was bedeutet das für Österreichs größte Weinkellerei Wegenstein?

Herbert Toifl:
Wir setzen pro Jahr circa 18 Millionen Liter Wein ab. Unsere Weine kosten von 1,99 bis 6,99 Euro pro Flasche. Die offiziellen Erntedaten liegen bei 1,7 Millionen Hektoliter. Der Durchschnittsverbrauch in Österreich liegt bei 2,4 Millionen Hektoliter. Wenn es nun in Österreich weniger Wein gibt, dann wird vermutlich der Preis steigen. Derzeit hat sich die Nachfrage nach heimischem Wein verdoppelt. Wir werden versuchen müssen, unseren teuren Jahrgang 2010 den Konsumenten positiv zu vermitteln.


Also um 1,99 Euro wird es nächstes Jahr keinen Wein mehr bei Billa geben?

Österreichischen Wein von Wegenstein des Jahrgangs 2010 wird es um diesen Preis nach derzeitiger Einschätzung nicht geben.


Jetzt gibt es von Wegenstein aber noch eine Bouteille um 1,99 Euro. Was ist das für ein Wein?

Das ist ein österreichischer Qualitätswein. Das sind Weine aus Niederösterreich und aus dem Burgenland. Die Weine unterliegen einer Qualitätskontrolle. Es ist eine Cuvée aus Weinen von 600 Winzern, 16 Weinhändlern und Genossenschaften.


Kaufen Sie diesen Winzern den Wein oder die Trauben ab?


Den Wein. Wir kaufen nur eine kleine Menge Most. Wir haben in den Bundesländern Pressstellen. Dort werden die Trauben gepresst, der Most kommt dann in die Kellerei Wegenstein und wird dort in Stahltanks vergoren. Das sind aber nur 1,1 Millionen Liter pro Jahr.


Werden die Weine gekostet, bevor sie in der Rewe-Group-Kellerei landen?

Unsere Handelspartner ziehen bei jedem einzelnen unserer Partnerwinzer Proben. Diese Proben werden von meinem Team, das sind Kellermeister, Qualitätsmanager und ich, gekostet. Dann entscheiden wir, ob der Wein gekauft wird und wie viel wir dafür bezahlen wollen.

Wenn also ein guter Tropfen dabei ist, bekommt der Winzer auch mehr Geld?

Wir haben vor eineinhalb Jahren gestaffelte Preise eingeführt. Es gibt die Qualitäten „Sehr gut bis Gut“, „Durchschnitt“, „Schwach“, „Ausscheidung“.


Welche Winzer liefern an Wegenstein?

Großteils sind es Winzer, die speziell Fassweine produzieren. Aber wir haben auch sehr renommierte Lieferanten, die Überproduktionen mit sehr guter Qualität an uns verkaufen.


Was bekommt ein Winzer für einen guten Liter Wein?

Im Vorjahr lagen wir bei 50 bis 60 Cent für Basisweine. Für DAC-Weine erhielten die Winzer 70 bis 80 Cent bis einen Euro pro Liter. Die Basisweine gelangen dann um 1,99 bis 2,99 Euro ins Regal. Um 3,99 Euro gibt es den Wegenstein Klassik. Das sind Weine, die DAC-Standards erfüllen.


Aber es steht nicht „Weinviertel DAC“ auf der Flasche?

Offizielle DAC-Weine dürfen nicht unter fünf Euro verkauft werden. Weil Wegenstein die Marketingstrategie dieser Winzergruppe nicht zerstören will, steht „Wegenstein Klassik“ auf dem Etikett.


Weil es bei Wegenstein vor allem um den Preis geht und nicht um die Qualität?


Natürlich spielt der Preis eine relevante Rolle. Aber mein sportlicher Ehrgeiz dreht sich vor allem um eine Frage: Welche gute Qualität kann ich um welchen guten Preis anbieten? Und da wollen wir besser sein als unsere Mitbewerber.


Auch die Bioschiene „Ja! Natürlich“ führt Wein. Welche Weine?

Das sind Weine von Biowinzern und kosten von 3,99 bis 9,99 Euro. Diese Winzer werden von Wegenstein lediglich kontrolliert. Die Weine werden von den Biobauern geerntet, abgefüllt, etikettiert und zu uns geliefert.


Was antworten Sie auf den Satz: „Wenn etwas so billig ist, kann es nicht gut sein?“


Diese Einstellung gibt es nur bei den Winzern. Da gibt es tatsächlich noch immer die Meinung, dass man sich über den hohen Preis definieren kann. Aber immer mehr Konsumenten sind Weinkenner und wissen, was gut ist. Und Wegenstein ist daran nicht ganz unbeteiligt. Wir holen mit unseren günstigen Weinen den Neueinsteiger ab. Und wir tragen ihn die Qualitätsleiter hinauf. Es kann uns also durchaus passieren, dass dieser Konsument irgendwann draufkommt, dass ihm nur noch Weine von Topwinzern schmecken. Dann ist er für uns weg.


Sie reden ja, also würde Billa Entwicklungshilfe für die österreichische Weinwirtschaft betreiben.

Wir schaffen für Konsumenten einen positiven Zugang zum Wein.


In der Regalen der Rewe-Gruppe stehen aber nicht nur Wegenstein-Weine.

Aber 50 Prozent des Absatzes wird mit unseren Weinen gemacht.


Werden nächstes Jahr statt der österreichischen Weine ausländische Billigweine im Regal stehen?

Auch in anderen Ländern gab es eine schlechte Ernte. Also auch in Ungarn, Italien oder Deutschland gibt es Ertragseinbußen. Im ersten Schritt werden wir versuchen, weiterhin auf österreichische Weine zu setzen und die Preise zu erhöhen. Dann werden wir sehen, ob die Konsumenten das tolerieren. Wir werden versuchen, die massiv gestiegenen Preise für österreichischen Wein positiv und ehrlich zu kommunizieren, und hoffen, dass uns die Konsumenten verstehen und Österreich treu bleiben.


Hört sich beim Preis die Toleranz auf?

70 Prozent des Weinabsatzes betrifft Weine, die bis 3,99 Euro kosten. Das ist eine Tatsache. Sollten also Weine um 1,99 Euro erwünscht sein, dann werden diese wahrscheinlich aus Italien und Spanien kommen.


Es gibt Winzer, die sich dagegen wehren, dass ihre Weine im Supermarktregal landen. Sie fürchten einen Imageschaden. Was sagen Sie dazu?

In Österreich ist das leider so. Das liegt vor allem daran, dass die Weine in der Gastronomie sehr teuer sind. Steht so ein Wein dann auch im Supermarkt, dann wird die Diskrepanz beim Preis sichtbar.

Sind die österreichischen Winzer in den vergangenen Jahren zu teuer geworden?

Das sehe ich nicht so. Bei uns sind Preise von 50 bis 60 Euro extrem. Darüber kann ein Franzose nur lachen.


Aber können die österreichischen Weine mit jenen in Bordeaux oder Burgund mithalten?


Bei den Weißweinen auf jeden Fall. Und auch bei den Rotweinen, allerdings nicht jedes Jahr. Was den Rotwein betrifft, glaube ich allerdings auch, dass sich einige Winzer überschätzen.


Wie kann man sich die größte Weinkellerei Österreichs vorstellen?


Die Zentrale ist in Wiener Neudorf. Dort verfügen wir über ein Tanklager mit einem Volumen von 8,5 Millionen Liter. Aber es gibt natürlich große und kleine Tanks.


Was ist ein großer Tank?

300.000 Liter Wein lagern in einem großen Tank. Aber wir haben auch 100.000-, 50.000- und 20.000-Liter- Tanks. Und in jedem dieser Tanks kommen Weine mit gleicher Herkunft, gleicher Typizität und Benotung zusammen. Und diese Weine, die für einen Tank bestimmt sind, werden an einem Tag von den Winzern abgeholt und eingefüllt. Das Ganze ist also eigentlich ganz überschaubar.


Und dort lagern nur Weine aus Österreich?

Nein, 30 Prozent der Weine kommen aus Italien, Spanien und aus Übersee.


Wie viele Flaschen werden an einem durchschnittlichen Tag abgefüllt?

150.000 Flaschen. Die Abfüllanlage ist eine Hightech-Anlage mit sehr viel Elektronik und modernsten Steuerungsmechanismen. In der Kellerei sind vier Mitarbeiter, die für die Önologie verantwortlich sind. Der Rest der Mannschaft ist mit dem Abfüllen der Flaschen beschäftigt.


Wie viele Leute arbeiten also in dieser riesigen Weinkellerei?

28.


Straffe Organisation.

Wir sind sehr schlank aufgestellt, wie man so schön sagt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2010)

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