Großbritannien

Rishi Sunak: Ein Ex-Investmentbanker mit indischen Wurzeln zieht in die Downing Street

Rishi Sunak (Bildmitte, rechts) auf dem Weg ins Hauptquartier der Konservativen in London nach der Bekanntgabe, dass er nächster Parteichef der Tories wird.
Rishi Sunak (Bildmitte, rechts) auf dem Weg ins Hauptquartier der Konservativen in London nach der Bekanntgabe, dass er nächster Parteichef der Tories wird.APA/AFP/DANIEL LEAL
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Rishi Sunak ist der einzige Bewerber in den Reihen der Tories, der die erste Nominierungshürde nahm. Der 42-jährige Sohn indischer Einwanderer wird somit Liz Truss als Premierminister nachfolgen, gegen die er vor wenigen Wochen noch eine Niederlage einstecken musste.

Es ist eine bemerkenswerte Rückkehr. Rishi Sunak war vor weniger als zwei Monaten noch gegen Liz Truss bei einer Mitgliederwahl zum Parteichef unterlegen, nachdem er von einigen in der britischen Konservativen Partei beschuldigt wurde, ihren Helden Boris Johnson gestürzt zu haben. Und jetzt steht Sunak vor seinem Karrierehöhepunkt. Er ist neuer Parteichef der Torys und wird bald schon als Premierminister Großbritanniens in die Downing Street in London ziehen. Allerdings noch nicht am Montag, wie es heißt. „Ich kann bestätigen, dass die Übergabe heute nicht stattfinden wird“, sagte ein Sprecher der bisherigen Regierungschefin Liz Truss am Montag. Derzeit liefen Gespräche über Zeitpunkt und Ablauf zwischen Sunak, Truss und König Charles III.

In einer ersten - äußerst kurzen - Stellungnahme am Montagabend betonte Sunak, er wolle für „Integrity and Humility“ stehen - also Integrität und Bescheidenheit. Er dankte seiner Vorgängerin Liz Truss für ihren Dienst - den sie mit Würde und Anmut gemeistert habe. Selbst Premierminister zu werden, sei das „größte Privileg seines Lebens“. Das Vereinigte Königreich stehe vor großen wirtschaftlichen Herausforderung und diese müsse man gemeinsam angehen. Er wolle Land und Partei einen und für Stabilität sorgen. Ohne Abschiedsworte oder ein Winken in die Kameras verließ Sunak das Rednerpult im Tories-Hauptquartier in London wieder.

Sunak wurde 2015 zum ersten Mal ins Parlament gewählt und gilt als Großbritanniens jüngster Premierminister seit mehr als 200 Jahren. Er steht vor der großen Aufgabe, das Land durch die Wirtschaftskrise zu steuern - bei wachsendem Unmut der Wähler aufgrund von Politikchaos, aber auch der Teuerung und Energiekrise.

Mordaunt schaffte Hürde nicht

Sunak war der einzige Kandidat der britischen konservativen Partei, der die nötige Zahl von Unterstützern in seiner Fraktion aufbringen konnte. Er gilt somit als gewählter Parteivorsitzender der Tories und Nachfolger von Liz Truss als Premierminister. Seine einzige verbliebene Konkurrentin, Penny Mordaunt, zog kurz vor 14 Uhr Londoner Ortszeit (15 Uhr MESZ) ihre Kandidatur zurück, wie sie auf Twitter bekannt gab. Sie konnte offenbar keine 100 Unterstützer in der Tory-Parlamentsfraktion hinter sich vereinen.

Als Sohn indischer Einwanderer wird der in Southampton geborene Sunak der erste britische Regierungschef, der einer ethnischen Minderheit in Großbritannien angehört. "Rishi Sunak ist zum Chef der Konservativen Partei gewählt worden", bestätigte der Chef des zuständigen Fraktionskomitees, Graham Brady, in London. 

Mordaunt hoffte offenbar vergeblich darauf, dass sich Johnson-Unterstützer in größerer Zahl auf ihre Seite schlagen könnten. Vielmehr waren drei prominente Unterstützer Johnsons auf die Seite Sunaks gewechselt. Außenminister James Cleverly schrieb am Montag in der Früh auf Twitter, Sunak habe die größte Erfahrung. Am Sonntagabend schrieb auch Ex-Minister Nadhim Zahawi, der in der Früh noch in einem Gastbeitrag für die Ära "Boris 2.0" geworben hatte, auf Twitter: "Ein Tag ist eine lange Zeit in der Politik. Nach den heutigen Neuigkeiten sollten wir uns Rishi Sunak als unserem nächsten Premierminister zuwenden." Auch Ex-Innenministerin Priti Patel sprach sich für Sunak aus, nachdem sie zuvor Johnson unterstützt hatte.

Parteibasis hätte womöglich anders entschieden

Hätte Mordaunt die Hürde von 100 Unterschriften genommen, hätte zunächst die Fraktion zwischen den beiden Kandidaten abgestimmt. Wären danach beide Finalisten weiter im Rennen geblieben, hätte die Parteibasis in einer Online-Abstimmung das Wort gehabt.

In einer solchen hatte Sunak schon im Sommer verloren - damals gegen Liz Truss, die nach nur 45 Tagen im Amt zurücktreten musste. Diesmal bleibt ihm diese Abstimmungsrunde erspart. Mordaunt galt bei der Parteibasis als beliebter. Doch es gilt als ein Grundproblem der Konservativen, dass die Parteibasis eher stramm-konservative, bzw. rechtere Politiker an der Parteispitze wünscht. Doch die den Tories zugeneigten Wähler würden eher einen Kandidaten der Mitte präferieren.

Kann Sunak die Partei einen?

Sunak inszenierte sich als Kandidat, der die Partei einen kann. Zuletzt hatten sich mit Handelsministerin Kemi Badenoch und Ex-Innenministerin Suella Braverman zwei führende Politikerinnen vom rechten Rand der Partei hinter ihn gestellt. Zugute kommt dem 42-Jährigen, dass er im parteiinternen Wahlkampf um die Parteiführung gegen Truss im Sommer vor exakt jenem Finanzchaos gewarnt hatte, das die amtierende Premierministerin in ihrer kurzen Amtszeit mit ihrer Wirtschaftspolitik anrichtete.

Allerdings weisen Experten darauf hin, dass auch Sunak bei weitem nicht die gesamte Partei und Fraktion hinter sich hat. Viele Mitglieder werfen ihm vor, mit seinem Rücktritt als Finanzminister den Sturz des an der Basis beliebten Johnson ausgelöst zu haben. Zudem weisen Kritiker auf das große Vermögen des wohl reichsten britischen Abgeordneten hin. Der frühere Investmentbanker ist mit der Tochter des Infosys-Gründers verheiratet, die einen Hunderte Millionen Pfund schweren Anteil an dem indischen IT-Giganten hält.

Er wolle das Land mit "Integrität und Professionalität" durch die Krise führen, schrieb Sunak am Sonntag auf Twitter als er offiziell seine Kandidatur bekannt gab. Mit seinem Rücktritt als Finanzminister hatte er im Juni den Sturz von Boris Johnson eingeleitet, der ebenfalls wieder seine Chancen sondierte - auch  mit Sunak. Nach Informationen der "Sunday Times" hatten Johnson und Sunak am Samstag drei Stunden lang versucht, "das Kriegsbeil zu begraben" und den Spielraum für eine einvernehmliche Lösung auszuloten - vergeblich. Johnson zog sich schließlich angesichts Chancenlosigkeit zurück. Und Sunak steht nun vor dem Höhepunkt seiner Politikkarriere.

(Ag./Red.)

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