Acht Wochen Proteste

Turban-Schlagen wird zum Volkssport im Iran

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Acht Wochen nach Beginn der Protestwelle findet Teheran kein Rezept gegen die Unruhen: Täglich kommt es zu Demos gegen die Mullahs, besonders Jugendliche haben keine Angst mehr.

Ein iranischer Geistlicher in Gewand und Turban geht die Straße entlang. Da taucht hinter ihm ein junger Mann oder eine junge Frau auf, schlägt ihm den Turban vom Kopf und rennt davon: Hundertfach filmen Mitglieder der Protestbewegung derzeit solche Szenen der Demütigung für die Mullahs und veröffentlichen sie im Internet. Noch vor zwei Monaten wäre das Turban-Schlagen im Iran undenkbar gewesen – heute ist es Mutprobe und Volkssport für Regimegegner. Die acht Wochen des Protests gegen die Islamische Republik haben den Iran verändert.


Die Proteste, die sich am Tod der 22-jährigen Mahsa Amini in der Gewalt der Religionspolizei am 16. September entzündeten, haben die ganze Gesellschaft erfasst. Längst geht es nicht mehr nur um die Abschaffung des Kopftuch-Zwangs, den die Sittenwächter mit Aminis Festnahme durchsetzen wollten. Iranerinnen und Iraner jeden Alters, aus allen ethnischen Gruppen und sozialen Schichten wollen den Regimewechsel in Teheran. „Tod dem Diktator“, rufen sie und meinen Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei, der an der Spitze des theokratischen Systems steht.Die Regierung wirkt hilflos, besonders bei friedlichen Protestaktionen. Als die iranische Strandfußball-Nationalmannschaft jetzt gegen Brasilien spielte, blieben die Spieler bei der Nationalhymne demonstrativ stumm – das Staatsfernsehen unterbrach darauf die Übertragung. Während des Spiels feierte ein iranischer Torschütze seinen Erfolg, indem er mit Handgesten so tat, als würde er sich die Haare abschneiden: Viele Demonstrantinnen im Iran ziehen sich demonstrativ das Kopftuch aus und schneiden sich die Haare ab.

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