"Tabu Zäune"

Nehammer fordert auf EU-Gipfel mehr Zäune an den EU-Außengrenzen

Bundekanzler Nehammer steht wegen des Schengen-Erweiterungs-Vetos unter besonderer Beobachtung beim EU-Gipfel in Brüssel.
Bundekanzler Nehammer steht wegen des Schengen-Erweiterungs-Vetos unter besonderer Beobachtung beim EU-Gipfel in Brüssel.APA/AFP/JOHN THYS
  • Drucken

Österreich will das Thema Migration beim eintägigen EU-Gipfel ansprechen. Das Schengen-Veto gegen den Beitritt Bulgariens und Rumäniens steht ebenso auf der Agenda wie ein möglicher Gaspreisdeckel und der Ukraine-Krieg.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat sich angesichts der hohen Asylzahlen für mehr Grenzbarrieren an den EU-Außengrenzen ausgesprochen. "Wir müssen endlich das Tabu Zäune brechen", sagte Nehammer im Vorfeld des EU-Gipfels am Donnerstag in Brüssel. Es brauche in Bulgarien einen Zaun, der mit finanziellen Mitteln der Europäischen Union unterstützt werde. Österreich hatte aufgrund der gestiegenen irregulären Migration den Schengen-Beitritt Bulgariens und Rumäniens blockiert.

Er sei im "engen Austausch" mit den Staatsoberhäuptern der beiden Länder, so Nehammer. "Der bulgarische Präsident führt selbst an, dass es notwendig ist, den Zaun gegenüber der Türkei" zu verstärken, sagte der Kanzler. Sofia brauche dafür nach eigenen Angaben rund zwei Milliarden Euro.

Die Brüsseler Behörde erklärt stets, dass es kein Geld für Mauern, Zäune und Stacheldraht gibt, lediglich für Infrastruktur an der Grenze. Ein Argument lautete etwa, dass dann das Geld an anderer Stelle fehlen würde, beispielsweise bei der Küstenwache.

"Zäune an sich sind nichts Neues", erklärte Nehammer weiter in Hinblick auf die Barrieren an der griechisch-türkischen Grenze. "Nur bis jetzt werden die Nationalstaaten alleine gelassen, die EU-Kommission gibt die Gelder nicht frei."

Die Position der österreichischen Regierung hatte auch EU-Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am Mittwochabend auf krone.tv dargelegt. Sie sprach sich für "physische Barrieren" im Außengrenzschutz Europas aus. Diese werde es brauchen, um diesen Außengrenzschutz tatsächlich zu etablieren", sagte sie in einer Diskussionsrunde. Auf Nachfrage der Moderatorin präzisierte sie, es handle sich um "ein(en) Zaun, eine Mauer - Sie können es nennen, wie Sie wollen".

Die EU-Kommission hatte bisher stets erklärt, dass es kein Geld für Mauern, Zäune und Stacheldraht gibt, lediglich für Infrastruktur an der Grenze. Ein Argument lautet etwa, dass dann das Geld an anderer Stelle fehlen würde, beispielsweise bei der Küstenwache. In den vergangenen Jahren haben bereits mehrere EU-Länder zum Außengrenzschutz Zäune an ihren Grenzen errichtet.

Bulgarien „hoch motiviert"

Bulgarien habe alle notwendigen technischen Kriterien im Jahr 2011 erfüllt, reagierte der bulgarische Präsident Rumen Radew zu Österreichs Schengen-Veto. Jeder Einspruch der betroffenen Länder sei innenpolitisch motiviert. Er sei überzeugt, dass der Großteil der Migranten nicht über Bulgarien komme. "Wir sind hoch motiviert, unsere Grenzen zu schützen", betonte der bulgarische Präsident und verwies darauf, dass drei bulgarische Polizisten an der Grenze gestorben seien. "Sie wurden an der Grenze erschossen, während sie die Außengrenze der EU schützten", so Radew. Er verlange daher, dass Bulgarien wie ein solidarisches Land angesehen werde.

Radew sagte weiters, er sei in engem Austausch mit Nehammer und Bundespräsident Alexander Van der Bellen und er denke, dass man "gemeinsam sehr schnell eine Lösung finden" werde. "Ich kann garantieren, dass Bulgarien sein Bestes tun wird, aber bitte lasst uns nicht allein, denn alleine kann kein Land an der Frontlinie damit fertig werden."

Kritik von EU-Kommissarin an Österreich

Ebenfalls Kritik am Schengen-Veto Österreichs kam von EU-Innenkommissarin Ylva Johansson: Das helfe nur Russland. Er halte es für "untauglich", den Konflikt Russland-Ukraine mit einer Sicherheitsfrage für Unionsbürger in Verbindung zu bringen, so Nehammer. Es müssten "Lösungen gefunden werden und nicht untaugliche Vergleiche".

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz betonte, dass Deutschland zur Erweiterung des Schengen-Raums eine "klare Haltung" habe, dass neben Kroatien, auch Bulgarien und Rumänien in den Schengenraum einbezogen werden. "Wir werden weiter daran arbeiten, das möglich zu machen, als gemeinsame Entscheidung", so Scholz.

EU-Ratspräsident hofft auf Fortschritte

EU-Ratschef Charles Michel unterstrich, dass er voll und ganz die Position in Bulgarien und Rumänien verstehe. Er hoffe, dass es ein paar Signale gebe, in den kommenden Monaten Fortschritte zu erzielen. Es werde beim Gipfel keine formelle Debatte zu Schengen geben, dennoch erwarte er, dass das Thema besprochen werden, so der EU-Ratschef.

Bei ihrem voraussichtlich letzten Gipfel 2022 in Brüssel beraten die EU-Staats- und Regierungschef eine breite Palette an Themen. Im Fokus stehen der russische Angriffskrieg in der Ukraine sowie die hohen Energiepreise. Im Streit um einen EU-Gaspreisdeckel sind die Fronten verhärtet. Während etwa Griechenland und Italien eine strenge Obergrenze befürworten, fürchten unter anderem Österreich und Deutschland um die Versorgungssicherheit.

Es sei notwendig, "dass ausreichend Gas verfügbar ist, dass Angebot sich nicht verknappt, und die andere Komponente ist, dass es leistbar bleibt", sagte Nehammer. Er pochte auf eine Einigung auch, "weil viele andere Instrumente derzeit nicht genutzt werden können wie der gemeinsame Gaseinkauf".

Der deutsche Kanzler Scholz zeigte sich optimistisch. Am Rande des EU-Gipfels würden weitere Details geklärt werden. "Es war immer klar, dass wir eine einvernehmliche Lösung anstreben", betonte er. Man sei "kurz davor".

Anders als sonst ist der Gipfel nur für einen Tag angesetzt. Diplomaten rechnen aber damit, dass er bis tief in die Nacht zum Freitag andauern könnte.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.