Infolge seines Angriffs auf die Ukraine befindet sich Russland zwar in einer Rezession. Aber im Unterschied zu früheren Krisen ist die jetzige völlig atypisch. Viele Kennzahlen erzielen nämlich positive Rekordwerte. Vor allem eine erweist sich als besonders schräg.
Will man ein Jahr nach Beginn des Ukraine-Kriegs den Zustand der russischen Wirtschaft und ihre Interaktion mit dem Westen veranschaulichen, nimmt man am besten den Gaskonzern Gazprom als Beispiel – mit seinen knapp 500.000 Mitarbeitern einer der größten russischen Steuerzahler. Kaum ein zweites Unternehmen nämlich bildet die Verwerfungen und Komplexitäten besser ab.
Da ist das Exportvolumen, das infolge der westlichen Abkehr vom russischen Lieferanten und dessen proaktiver Drosselung im Vorjahr Konzernangaben zufolge um 46 Prozent gefallen ist. Da sind die Einnahmen, die im selben Zeitraum nach Reuters-Berechnungen den Rekordwert von 80 Milliarden Dollar erreicht haben könnten, weil die hohen Preise das geringe Volumen überkompensiert und bereits im ersten Halbjahr zu einem Rekordgewinn von 34 Mrd. Dollar (2,5 Billionen Rubel) geführt haben.
Und da ist die verbliebene Co-Abhängigkeit, die so aussieht, dass Europa vor dem nächsten Winter Angst hat, obwohl es ohnehin nur noch ein Viertel seines importierten Gases aus Russland bezieht, und dass Gazprom nun vor mageren Jahren steht, nachdem die Exporteinnahmen diesen Jänner bereits auf 3,4 Mrd. Dollar gegenüber 6,3 Mrd. Dollar im Jänner des Vorjahrs eingebrochen sind.
Sanktionen und die Anomalie der russischen Wirtschaft
Ist diese Gemengelage, hervorgerufen durch Krieg und Sanktionen, schon paradox genug, so zeigt sich an Gazprom aber auch noch eine ganz andere Anomalie, die Russlands Wirtschaft in früheren Krisenjahren so nicht gekannt hat und die die jetzige Krise so einzigartig, aber auch so eigenartig macht.