Gasversorgung

Wie konnte Österreich nur so abhängig von Russlands Gas werden?

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Das Risiko einer zu hohen Abhängigkeit von russischem Gas sei laut Energieagentur zwar früh erkannt, aber konsequent negiert worden. Besorgniserregend sei auch, dass Österreichs Gasimporte aus Russland zuletzt wieder zulegten.

Politische Fehler über mehrere Jahrzehnte haben Österreich abhängig gemacht von russischem Erdgas. Zu diesem Ergebnis kommt die Energieagentur, die die Politik in Energiefragen berät. Die Erdgas-Importe seien Mitte der 1960er-Jahre zur privatwirtschaftlichen Angelegenheit geworden. Das Risiko einer zu hohen Abhängigkeit wurde zwar früh erkannt, aber konsequent negiert. Argumente für russisches Erdgas seien zu unhinterfragten Dogmen geworden, so Studienautor Herbert Lechner.

"Ein wesentlicher Faktor für die Abhängigkeit Österreichs von russischem Erdgas war sicher, dass die politisch Verantwortlichen sich bereits ab den 1960ern von einer energiepolitisch aktiven Rolle verabschiedet und sämtliche Aufgaben rund um den Gasimport als privatwirtschaftliche Angelegenheit an Unternehmen, in erster Linie die OMV, abgegeben haben", so Lechner. "Und daran hat sich de facto bis 2020, dem Ende des Untersuchungszeitraums der Analyse, nichts geändert."

Jüngste Importmengen "besorgniserregend"

Als "besorgniserregend" bezeichnete der frühere Geschäftsführer und wissenschaftliche Leiter der Energieagentur, dass Österreich im Dezember 2022 wieder über 70 Prozent des Erdgases aus Russland bezog, "weil das nicht nach einem Ausreißer ausschaut." Deshalb sei es wichtig, für Klarheit zu sorgen, sagte Lechner am Dienstag in einer Pressekonferenz.

Dass sich die Bundesregierung von ihrem Ziel, bis 2027 aus russischem Gas auszusteigen, verabschiedet habe, glaubt Lechner aber nicht. Er gehe auch davon aus, dass dieses Ziel weiterhin Gültigkeit habe, auch wenn die EU schon deutlich weiter sei. Die heimische Politik müsse dafür aber in die Gänge kommen.

Nehammer will Gazprom-Vertrag nicht abändern

Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) sagte zuletzt in der ZIB2 des ORF, er könne der OMV nicht verbieten, dass vertragliche Verpflichtung von russischer Seite erfüllt werden. Nehammer sprach sich in dem Interview auch dagegen aus, den bis 2040 laufenden Vertrag mit der Gazprom abzuändern. "Das würde bedeuten, dass die OMV vertragsbrüchig wird." Das wäre zum Schaden der Steuerzahler. Er argumentierte, dass es darum gehe, Staatsvermögen zu sichern und bestehende Verträge so lange zu halten, wie es geht.

Der aktuelle Gasliefervertrag zwischen OMV und Gazprom war 2018 verlängert worden. Unterschrieben haben Ex-OMV-Chef Rainer Seele und Gazprom-Chef Alexey Miller im Beisein von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Russlands Präsidenten Wladimir Putin bei deren Treffen im Rahmen von Putins Staatsbesuch in Österreich. Der OMV-Aufsichtsrat wurde mit dem Vertrag nicht befasst. Der Vertrag ist geheim. Laut Medienberichten sind sogenannte Take-or-Pay-Klauseln enthalten. Das bedeutet, dass die OMV auch dann zahlen muss, wenn sie das Gas nicht bezieht.

Wurde Gazprom vertragsbrüchig?

Ob Gazprom mit dem Lieferkürzungen vergangenes Jahr vertragsbrüchig wurde, kann Lechner, wie er sagte, nicht einschätzen. Er verwies aber darauf, dass die deutschen Gasimporteure RWE und Uniper von Gazprom Schadenersatz für nicht geliefertes Gas fordern. Lechner geht davon aus, dass auch in dem Vertrag mit der OMV ein Schiedsgericht definiert ist.

Lechner hat für seine historische Analyse unter anderem in staatlichen Dokumenten Russlands und Österreichs sowie im Archiv der Staatsholding ÖIAG recherchiert. Warnungen vor der Abhängigkeit habe es immer wieder gegeben. So sagte der ÖVP-Abgeordnete Siegmund Burger 1971 im Nationalrat, die österreichische Energieversorgung sei auf der Prämisse des Friedens aufgebaut. Die EU-Kommission sagte 2008, Russland setzte "Gas als politische Waffe" ein. Und auch in Russland selbst war in Medien immer zu lesen, dass Gazproms Lieferungen ähnlich gefürchtet würden wie die Atomwaffen.

(APA)

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