EU-Gipfel

Streit um E-Fuels: Nehammer für "grüne Verbrenner", Scholz ortet "klare Verständigung"

Karl Nehammber bei der Ankunft beim EU-Gipfel am Donnerstag.
Karl Nehammber bei der Ankunft beim EU-Gipfel am Donnerstag.APA/AFP/KENZO TRIBOUILLARD
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"Klimaschutz braucht Innovation und Fortschritt“, argumentiert der österreichische Kanzler vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Die deutsche Bundesregierung dürfte nun doch den Kompromissvorschlag der Kommission annehmen.

Der Streit um das geplante Aus für Verbrenner-Neuwagen ab 2035 dominiert im Hintergrund den EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) erklärte vor dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs, er setze sich weiter für den "grünen Verbrenner mit E-Fuels" ein. Sein deutscher Amtskollege Olaf Scholz sieht die Gespräche über eine Lösung auf "einem guten Weg".

Aus der Sicht der deutschen Bundesregierung gebe es bereits eine "klare Verständigung". Dazu gehöre, dass die Europäische Kommission einen Vorschlag mache, wie auch nach 2035 ausschließlich mit klimaneutralen E-Fuels betriebene Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zugelassen werden können, so Scholz.

Scholz auf der Suche nach „richtigen Weg"

"Es geht jetzt eigentlich nur noch ganz pragmatisch darum, den richtigen Weg zu finden, diese von der Kommission ja längst gegebene Zusage umzusetzen", sagte Scholz. Es sei "immer richtig, sich an die eigenen Zusagen zu halten."

Nehammer betonte unterdessen, "uns ist wichtig, dass wir den technischen Fortschritt zulassen, dass wir nicht innovationsfeindlich sind". Er werde sich weiter für den "grünen Verbrenner mit E-Fuels" einsetzen, und die Staaten unterstützen, die dieses Thema auf die Agenda setzen.

Lettland kritisiert Deutschland: „Schwieriges Zeichen"

Kritik an der deutschen Regierung kam vom lettischen Ministerpräsident Krisjanis Karins. "Das ist ein sehr, sehr schwieriges Zeichen für die Zukunft", sagte er. Es sei verwunderlich, dass eine Regierung sich plötzlich anders entscheide, nachdem eine Vereinbarung getroffen worden sei. "Die gesamte Architektur der Entscheidungsfindung würde auseinanderfallen, wenn wir das alle tun würden", sagte er weiter.

Der luxemburgische Regierungschef Xavier Bettel zeigte sich genervt von der Debatte. Man könne über alles reden, aber das Thema stehe eigentlich nicht auf der Agenda, sagte Bettel. "Es ist ja kein Wunschkonzert, wenn wir nach Brüssel kommen." Bettel betonte, dass jede Institution bei ihren Kompetenzen bleiben solle und der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs nicht für alles zuständig sein sollte.

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte erwartet eine baldige Lösung. "Ich denke, wir werden es schaffen, vielleicht nicht heute und morgen, aber in den nächsten Tagen", sagte er. Er habe Vertrauen, dass eine Lösung gefunden werde auf Grundlage der Lösung, die die EU-Kommission vorgeschlagen habe. "Das bedeutet, dass wir nicht neu verhandeln müssen und dass wir eine Lösung im Rahmen der ursprünglichen Vereinbarung finden können."

Verbrenner-Aus 2035 schien bereits in trockenen Tüchern

Eigentlich hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten bereits im Herbst darauf verständigt, dass in der EU ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen. Doch die vorgesehene Bestätigung durch die EU-Staaten scheiterte überraschend an Deutschland. Mittlerweile haben sich auch andere Staaten, darunter Österreich, der Blockade angeschlossen.

SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder warf Nehammer vor, auf irreführende Fakten eines US-Klimaskeptikers zu setzen. "Ob Verbrenner-Aus, Pestizidreduktion oder Gebäudesanierung, mitten in der konkreten Umsetzung wird taktiert und verzögert", kritisierte er. Dagegen forderte die ÖVP-Europaabgeordnete Barbara Thaler in Hinblick auf das Verbrenner-Aus: "Wir müssen diesen europäischen Sonderweg jetzt beenden, bevor er uns in eine industrielle Sackgasse führt, und dafür auf Technologieneutralität setzen."

"Nehammer muss endlich seine grüne Ministerin (Leonore, Anm.) Gewessler an die Kandare nehmen, damit sie im nächsten Ministerrat gegen das Verbrenner-Verbot stimmt", forderte der freiheitliche Europaparlamentarier Roman Haider.

E-Fuels sollten eigentlich nicht im Mittelpunkt des Eu-Gipfels stehen

Im Mittelpunkt des EU-Gipfels sollten eigentlich vorrangig wirtschaftspolitische Themen stehen. Vergangene Woche hatte die EU-Kommission Gesetzespakete vorgelegt, die Europa wettbewerbsfähiger gegenüber den USA und China machen sollen.

Der luxemburgische Ministerpräsident Bettel rief US-Präsident Joe Biden auf, mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping einen Friedensplan zur Ukraine auszuhandeln. Das würden die anderen Staaten akzeptieren, meinte Bettel vor dem EU-Gipfel. Er wisse aber, dass er als Regierungschef des kleinen Luxemburg wenig Einfluss auf die Präsidenten habe.

Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas forderte die G7-Staaten vor dem EU-Gipfel auf, den Preisdeckel für russisches Öl zu senken. "Wir wissen, dass Russland bereits 42 Prozent weniger verdient hat an Ölverkäufen", sagte Kallas. Dies reduziere die Möglichkeit Russlands, den Krieg gegen die Ukraine zu führen. Sie verstehe, dass einige Länder aus der Gruppe der sieben führenden westlichen Wirtschaftsnationen die Sorge hätten, dass ein abgesenkter Preis nicht wieder angehoben werden könne. Dies sei aber nicht der Fall. Die EU hatte sich im Februar auf eine Preisobergrenze von 100 Dollar je Barrel auf hochwertige Ölprodukte wie Diesel aus Russland und von 45 Dollar je Barrel auf günstigere Produkte wie Heizöl geeinigt.

Auch das Thema Energie, Handel und Migration soll bei dem Treffen erläutert werden. Am Freitag findet dann ein Euro-Gipfel statt.

(APA/Reuters)

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