Der ökonomische Blick

Die Grenzen von CO₂-Kompensationen

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CO₂-Kompensationen sind zu einer beliebten Methode geworden, um den CO₂-Ausstoß von Einzelpersonen und Unternehmen zu kompensieren. Welche Auswirkungen haben CO₂-Kompensationen aber auf das Klima und können wir uns auf sie verlassen?

Wahrscheinlich haben auch Sie schon einmal CO₂-Kompensationen gekauft, zum Beispiel beim Kauf eines Flugtickets. Die Idee dahinter ist verlockend: Sie können Ihre CO₂-Emissionen ausgleichen, indem Sie in Projekte investieren, wie erneuerbare Energien oder Aufforstung, die zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen beitragen. Zudem sind CO₂-Kompensationen nicht nur bei Privatpersonen, sondern auch bei Unternehmen weltweit beliebt, um ihre Emissionen zu reduzieren und ihr Klimaziel zu erreichen.

Der Markt für freiwillige CO₂-Kompensationen hat derzeit ein Volumen von über einer Milliarde Dollar (Stand 2021). Die globale Verfolgung des 1,5°C-Paris-Ziels wird die Nachfrage nach freiwilligem Ausgleich von Kohlenstoffemissionen steigern, wodurch bis 2050 eine hundertfache Zunahme des Volumens erwartet wird.  Derzeit stammt ein Großteil – ca. 40 Prozent - aller verkauften Kompensationen aus Wald-Kompensationsprojekten (einschließlich sogenannter REDD-Projekte zur Reduzierung von Emissionen durch Entwaldung und Waldschädigung). Doch stellt sich die Frage, ob diese Waldprojekte tatsächlich dazu führen, dass Emissionen effektiv reduziert werden?

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften. Dieser Beitrag ist auch Teil des Defacto Blogs der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Central European University (CEU). Die CEU ist seit 2019 in Wien ansässig.

Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der „Presse"-Redaktion entsprechen.

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Kompensieren CO₂-Kompensationen aus Waldprojekten wirklich CO₂?

Es gibt zwar viele Studien zu Kompensationen, nur wenige davon wenden aber strenge wissenschaftliche Methoden an und messen mithilfe von Satellitenbildern, ob tatsächlich tropische Abholzung und so Emissionen vermieden werden. In einer dieser Studien wurde u.a. festgestellt, dass die meisten Projekte nicht in der Lage sind, Entwaldung zu reduzieren. Bei den wenigen Projekten, die Erfolge zeigten, waren die Reduktionen wesentlich geringer als behauptet. Sie können diese Untersuchungen auch beim Recherchenetzwerk bestehend aus The Guardian und Die Zeit nachlesen, welche erst vor kurzem Berichte zu CO₂-Kompensationen veröffentlicht haben.

Mit Forschern aus Wageningen und Cambridge haben wir eine weitere Studie durchgeführt, welche die Auswirkungen eines REDD+ Projekts in Sierra Leone auf Abholzung und das Wohlergehen von Bauern misst. Unsere Studie zeigt, dass solche Projekte die jährlichen Abholzungsraten um 30 Prozent verringern können, aber der Einfluss ist bescheiden und beseitigt die Abholzung nicht vollständig.

Weiters stellen wir keine positiven Veränderungen im wirtschaftlichen Wohlergehen der teilnehmenden Bauern fest. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass REDD+ wahrscheinlich intensivere Eingriffe erfordert, um höhere Niveaus des Umweltschutzes und eine positive wirtschaftliche Entwicklung gleichzeitig zu erreichen. Aus diesen Ergebnissen lässt sich also schließen, dass viele CO₂-Kompensationen besonders aus Waldkompensationsprojekten unsicher sind und diese Unsicherheit sollte bei der Entscheidung, sie zu kaufen, berücksichtigt werden.

Wirkung hängt auch von Substitution ab

Gemeinsam mit Kollegen der London School of Economics haben wir einen Kommentar verfasst, in dem wir darauf hinweisen, dass bei der Betrachtung von CO₂-Kompensationen nicht nur auf die Qualität und Effektivität der CO₂-Gutschrift, sondern auch auf Substitution geachtet werden muss. Unternehmen nutzen Kohlenstoffgutschriften oft als Ersatz für teurere Maßnahmen wie die Investition in emissionsreduzierende Technologien. Eine solche Substitution kann auch auf systemischer Ebene auftreten, indem die Entwicklung von Märkten für CO₂-Kompensationen die Umsetzung anderer politischer Maßnahmen reduziert und Anreize für andere Lösungen beeinträchtigen kann. Wir stellen daher die Notwendigkeit in Frage, ob Unternehmen und Einzelpersonen langfristig ihr Verhalten ändern sollten, anstatt zu kompensieren.

Ist eine CO₂-Kompensation besser als keine?

Wenn man überlegt, ob man einen Flug (privat oder geschäftlich) mit CO₂-Kompensationen ausgleichen soll, sollte man bedenken, dass man bei Unsicherheit in mehrere Projekte investieren müsste, um sicherzugehen, dass CO₂ kompensiert wird. Allerdings ist zu beachten, dass diese Gutschriften Emissionen nie ohne Zweifel kompensieren, solange die Qualität unsicher bleibt. In diesem Fall ist es besser, Flüge zu vermeiden, wenn möglich und auf Alternativen wie Telekonferenzen oder Verkehrsmittel mit niedrigeren CO₂-Emissionen auszuweichen. Wenn dies jedoch keine Option ist, sollte der Kauf von Kompensationen in Betracht gezogen werden, aber man sollte nicht behaupten, dass die Nettoemissionen der Reise Null oder negativ sind, wenn der wahre Effekt auf die Treibhausgase unbekannt ist. Indem insbesondere Unternehmen die grundlegende Unsicherheit bei CO₂-Kompensationen anerkennen, können sie ein aufrichtigeres Engagement zur Reduzierung ihres CO₂-Fußabdrucks demonstrieren. Eine ehrlichere und transparentere CO₂-Kompensation kann letztendlich eine nachhaltigere Zukunft vorantreiben.

Die Autorin

Elisabeth Gsottbauer arbeitet als Assistenzprofessorin an der London School of Economics und der Universität Innsbruck. Sie ist ebenfalls Lektorin an der Universität Cambridge in Großbritannien. Mithilfe von Experimenten untersucht sie die Wirksamkeit und Akzeptanz von wirtschafts- und umweltpolitischen Maßnahmen und leitet aus Ihren Ergebnissen evidenzbasierte Politikempfehlungen ab.

Referenzen

Die angeführte Studie der Evaluierung eines REDD+ Projektes wurde zusammen mit Andreas Kontoleon, Tom Swinfield und Rachel Carmenta von der University of Cambridge und Mandy Malan, Maarten Voors und Paul Hofman von der Wageningen University verfasst und befindet sich derzeit unter Begutachtung.

Der Kommentar „Living with uncertainty” welcher gemeinsam mit Ben Filewod (LSE), Rob Macquarie (LSE) und Leo Mercer (LSE) verfasst wurde, kann hier nachgelesen werden.

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