Rechtspanorama am Juridicum

Mehrstimmiger Ruf nach einfacherem Mietrecht

Im Dachgeschoß des Wiener Juridicums diskutierten (v. l. n. r.): Louis Obrowsky, Helmut Ettl, Elke Hanel-Torsch, Helmut Ofner, Wolfgang Schwarzbauer, Alexander Stegbauer und „Presse“-Moderator Benedikt Kommenda.
Im Dachgeschoß des Wiener Juridicums diskutierten (v. l. n. r.): Louis Obrowsky, Helmut Ettl, Elke Hanel-Torsch, Helmut Ofner, Wolfgang Schwarzbauer, Alexander Stegbauer und „Presse“-Moderator Benedikt Kommenda.Clemens Fabry
  • Drucken

Mieter klagen über zu hohe Preise, Vermieter über fehlende Planungssicherheit. Die Debatte um die nun doch erfolgte Anhebung des Richtwerts ist nur ein Mosaikstein in einem zersplitterten Rechtsgebiet.

Wien. Am vergangenen Samstag stiegen die Richtwertmieten um 8,6 Prozent. Die von der Koalition lang debattierte Mietpreisbremse kam nicht, stattdessen ein Wohnkostenzuschuss für sozial Bedürftige. Wer in einem Neubau Mieter ist oder es gar werden will, sieht sich erst recht mit höheren Beträgen als früher konfrontiert, und diese sollen weiterhin steigen.

Umgekehrt klagen Vermieter ihr Leid, weil sie vor allem im Altbau wenig Geld bekämen und gleichzeitig Renovierungen nötig wären. Wie stellt sich also die aktuelle Situation dar, und was sollte man ändern? Darüber debattierten in der Vorwoche beim Rechtspanorama am Juridicum Experten aus verschiedensten Bereichen.

Tatsächlich diskutierte die Politik mit der Mietrechtsbremse nur über einen Teilbereich. In Wien gebe es circa 400.000 Wohnungen, für die der Richtwert gelte. Und die Hälfte davon seien Gemeindewohnungen, erläuterte Helmut Ofner, Vorstand des Instituts für Europarecht an der Jus-Fakultät der Universität Wien. In den Anwendungsbereich können Wohnungen fallen, die je nach den sonstigen Details entweder bis Mitte 1945 oder 1953 gebaut wurden und nicht größer als 130 Quadratmeter sind. Früher habe es fixe Obergrenzen für Wohnungen gegeben, erläuterte Ofner, dieses System sei durch die Richtwerte ersetzt worden. Diese variieren aber innerhalb Österreichs. So ist der Richtwert in Vorarlberg höher als in Wien oder gar im Burgenland.

Reichen die Maßnahmen der Regierung am Wohnungsmarkt aus? Nein, erklärte Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Landesorganisation Wien in der Mietervereinigung: „Das Wohnen ist für viele nicht mehr leistbar.“ Die Mieten seien in den vergangenen Jahrzehnten deutlich mehr gestiegen als die Löhne, kritisierte Hanel-Torsch, die auch SPÖ-Bezirksrätin in Wien Margareten ist. Die Bundesregierung hätte nicht nur über die Richtwerte, sondern über Bremsen bei allen Mieten verhandeln sollen, meinte sie. Dazu komme, dass Vermieter ihre Preise erhöhen dürfen, wenn die Gegend etwa durch einen neuen U-Bahn-Anschluss attraktiver wird. „Die Frage ist, ob das gerecht ist“, meinte Hanel-Torsch, denn den U-Bau-Ausbau zahle ja die Allgemeinheit, nicht der Vermieter.

Richtwert als solcher günstig

Louis Obrowsky sieht die Sache als Präsident des Verbandes der Institutionellen Immobilieninvestoren anders. Man müsse sich auf Gesetze verlassen können und dürfe als Vermieter nicht von der Politik damit überrascht werden, dass Richtwertmieten doch nicht wie gedacht angehoben werden, betonte er. Man denke nur an Vermieter, die Investitionen tätigen müssten und dann weniger Geld vom Mieter bekämen als gedacht. Zudem stehe der Richtwert in Wien ohnedies nur auf der Höhe der halben Marktmiete und sei schon ohne zusätzliche Preisbremsen ein starkes soziales Element.

Wirtschaftsforscher Wolfgang Schwarzbauer von EcoAustria erläuterte, wie zweischneidig sich Maßnahmen auswirken können. Wenn man einen Teilbereich stark reguliere, profitierten die in diesem Wohnungssegment schon lebenden Menschen. Aber dadurch kämen weniger neue Wohnungen auf den Markt. Menschen müssten sich stärker Wohnungen im nicht regulierten Bereich suchen, und dort würden dadurch die Preise in die Höhe getrieben. Der starke Kündigungsschutz wiederum führe dazu, dass viele Mietwohnungen nur noch befristet vergeben werden, wodurch auch die Mieter weniger Sicherheit für ihre Zukunft in der Wohnung hätten.

Strenge Kreditregeln nötig?

Wer der Miete entfliehen will und Eigentum aufbauen möchte, braucht meist einen Kredit. Warum die Vergaberichtlinien dafür strenger werden mussten, erläuterte Helmut Ettl, Vorstand der Finanzmarktaufsicht FMA. Die Immobilienpreise seien massiv gestiegen, die Einkommen aber nur leicht. Die Zahlen hätten gezeigt, dass Personen Kredite aufnehmen, die sie möglicherweise nicht mehr zurückzahlen können, wodurch wiederum eine Bankenkrise entstehen könne.

Wenngleich die Regeln nun wieder etwas gelockert werden, wünscht sich Alexander Stegbauer, Leiter der Raiffeisen Wien, mehr Erleichterungen. Es möge schon schwarze Schafe geben, sagte er. Aber auch „ganz viele seriöse Banken“, die schon aus Eigeninteresse nicht zu leichtfertig Kredite vergeben, weil man das Geld ja zurückhaben will. Und Leidtragende der strengeren Regeln seien junge Familien, deren Eigenmittel zunächst knapp sind, während absehbar sei, dass sie später mehr verdienen.

Bei der Frage, was man als Erstes reformieren soll, gingen die Antworten je nach Interessenslage auseinander. Wiederholt wurde am Podium aber der Wunsch nach einem einheitlicheren und einfacheren Mietrecht laut. Sodass auch der Preis leicht zu berechnen sei. Denn wenn ein Mieter einen Anwalt und einen Sachverständigen beschäftigen müsse, um den korrekten Preis zu ermitteln, werde er es wohl sein lassen und einfach die Miete zahlen, sagte Schwarzbauer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2023)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.