Handlungsfähigkeit

"Freundesgruppe": Neun EU-Staaten wollen Mehrheitsentscheidungen

Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock Annalena Baerbock fordert einen Ausbau des Mehrheitsprinzips in der EU.
Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock Annalena Baerbock fordert einen Ausbau des Mehrheitsprinzips in der EU.APA/AFP/KENZO TRIBOUILLARD
  • Drucken

Deutschland zieht mit Frankreich, Italien, Spanien, den Benelux-Staaten, Finnland und Slowenien an einem Strang. Die „Freundesgruppe" soll außen- und sicherheitspolitische Entscheidungen der EU vereinfachen. Österreich zeigt sich skeptisch.

Deutschland und acht weitere EU-Staaten setzen sich dafür ein, Mehrheitsentscheidungen zur Außen- und Sicherheitspolitik auszubauen. "Ziel dieser Freundesgruppe ist es, die Effektivität und Geschwindigkeit von Entscheidungen der EU-Außenpolitik zu erhöhen", erklärte das Auswärtige Amt in Berlin gemeinsam mit den anderen Ministerien am Donnerstag. Der "Freundesgruppe" gehören zudem Belgien, Finnland, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Slowenien und Spanien an.

"Vor dem Hintergrund von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und den wachsenden internationalen Herausforderungen für die EU sind die Mitglieder der Freundesgruppe davon überzeugt, dass die Verfahren zur Entscheidungsfindung in der EU-Außenpolitik angepasst werden müssen, um die EU als globalen Akteur zu stärken", hieß es in der Erklärung. Das gilt auch mit Blick auf die Aufnahme neuer Mitglieder. Die Staaten des westlichen Balkans streben schon seit Jahren in die Europäische Union. Die Verzögerung eines Beitritts wird auch darauf zurückgeführt, dass die EU fürchtet, handlungsunfähig zu werden.

Das Problem ist seit Jahren bekannt, bisher fehlt es aber an konkreten Schritten, dies zu ändern. Eine Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen könnte nur mit einstimmigen Beschlüssen realisiert werden. Die "Freundesgruppe" wolle nun "pragmatisch konkrete Fortschritte bei den Entscheidungsprozessen" erzielen. Dazu sei eine regelmäßige Bestandsaufnahme in Abstimmung mit den anderen Mitgliedstaaten und den EU-Institutionen geplant. Allen EU-Staaten stehe die Mitgliedschaft in der Gruppe offen.

Österreich skeptisch

Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der sich am Donnerstag für Vielfalt und gegen Zentralismus in der Europäischen Union ausgesprochen hat, bezeichnete das Ringen um Konsens in der EU als „schwierig". Dies sei aber "der Mehrwert von Demokratie und Vielfalt". So sprach er sich dagegen aus, dieses Streben um Konsens durch mehr Mehrheitsentscheidungen im EU-Rat zu ersetzen.

Auch das österreichische Außenministerium äußerte sich gegenüber dem Vorschlag skeptisch. "Die qualifizierte Mehrheit ist kein Allheilmittel", ließ es wissen. "Einzig politischer Wille ist der Schlüssel zum Erfolg, das Ringen um Kompromisse ist das Wesen der EU. Und einmal erzielte Einigungen werden von allen mitgetragen. Das ist besonders in volatilen Zeiten wie jetzt ein besonderer Wert."

„Asset der EU ist der Zusammenhalt"

Konkret argumentiert Österreich mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dieser habe nämlich "eindrücklich vor Augen geführt, dass das größte Asset der Europäischen Union der Zusammenhalt ist", betonte das Außenministerium mit Blick auf die zehn von allen EU-Staaten mitbeschlossenen Sanktionspakete. Zudem gebe es auch andere Möglichkeiten die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu stärken, etwa "durch ein koordiniertes Auftreten und mehr Outreach der EU-Außenministerinnen in Drittstaaten".

In der Vergangenheit haben sich österreichische Spitzenpolitikerinnen aber bereits für die Einführung von Mehrheitsentscheidungen in außenpolitischen Fragen ausgesprochen und dabei das Argument der größeren Handlungsfähigkeit der Europäischen Union bemüht. In diese Richtung äußerte sich etwa Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) im Rahmen der EU-Zukunftskonferenz vor zwei Jahren. Auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) forderte die Zurückdrängung des nationalen Vetorechts bei Themen wie Außen- und Sicherheitspolitik, um Europa "handlungsfähig" zu machen. 

(APA/Reuters/Red.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.