Programm 2023/24

Martin Kušej: Burgtheater "gegen rechts der Mitte"

Burgtheater
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Direktor Martin Kušej präsentierte seine letzte Saison am Burgtheater – mit Handkes „Kaspar“, Kafkas „Verwandlung“, einer Überschreibung von Nestroys „Talisman“ und Bernhards „Heldenplatz“ in der Regie von Frank Castorf.

„Aufwachen, bevor es wieder finster wird“ stand auf dem Transparent, hinter dem der Direktor mit seinem Team auf der Bühne saß, „mit dem Rücken zum Zuschauerraum“, wie er selbst anmerkte: Martin Kušej machte bei der Vorstellung des Programms für 2023/24 den Eindruck, dass er noch gekränkt darüber sei, dass es dies seine letzte Saison wird. Es habe eine „Pressekampagne“ vor der „für das Haus schwerwiegenden Personalentscheidung“ gegeben, sagte er, sein Theater sei im Zug der Causa Teichtmeister „beschimpft, bespuckt, beschmiert“ worden. Diese Klage verband er mit einer politischen Analyse, die er im Programmheft so ausführt: „Nur wer ignorant oder blind ist, erkennt nicht, dass wir es mit einer Stimmung, einer politischen Tendenz und demnächst womöglich mit einer Regierung zu tun bekommen könnten, gegen die Haltung und Widerstand aufgebracht werden müssen.“

Er, Martin Kušej, habe jedenfalls beschlossen, „einen ganz klaren Kurs auszurufen gegen das, was uns eventuell bevorsteht“. Er sage „nein zu allem, was irgendwie rechts beinhaltet“, erklärte er und definierte: „Das heißt rechts der Mitte.“ Das Burgtheater dürfe keine Burg sein, die Republik Österreich keine Festung.

„Menschenfeind“ mit Jauchegrube

Diese Haltung soll auch seine Inszenierung von Molières „Der Menschenfeind“ transportieren, „gegen eine Gesellschaft, die Kategorien wie Moral nur vorgibt“, auf einer Bühne als „Spiegelraum mit glattem Parkett und darunter eine Jauchegrube“. Kušejs zweite eigene Inszenierung, „Orpheus steigt herab“ von Tennessee Williams, soll auf „die große Gefahr für Minderheiten“ hinweisen, er wisse noch nicht genau, ob das Stück in Amerika oder in Österreich spielen werde.

Johan Simons werde mit seiner Inszenierung von Büchners „Dantons Tod“ die Frage nach der Legitimität von Gewalt gegen Gewalt als Mittel der Politik stellen, Ulrich Rasche mit Goethes „Iphigenie auf Tauris“ im Akademietheater die „Aussicht auf Versöhnung und Gastfreundschaft“ öffnen. Im Burgtheater wird Frank Castorf „Heldenplatz“ von Thomas Bernhard inszenieren, über 35 Jahre nach der Uraufführung durch Claus Peymann ebendort. Niemand werde diesmal „Stürmt den ,Heldenplatz‘“ titeln, heißt es im Programmheft – in Bezug auf einen damaligen Artikel im „Standard“, der allerdings vor antisemitischem Missbrauch des Stücks warnte –, „auch wenn und weil die verantwortlichen Journalist*innen von damals zum Teil noch immer publizieren“.

Im Akademietheater interpretiert Daniel Kramer „Kaspar“, dieses Stück einer „Sprechfolterung“ habe Peter Handke gegen die Sprache seiner Elterngeneration geschrieben: Die Sprache sei für die 68er-Generation „vor dem Prüfstand“ gestanden, sei „vor dem Tribunal der Geschichte mitangeklagt für die Verbrechen der Nationalsozialisten“ gewesen. In Shakespeares „Sommernachtstraum“ wird Barbara Frey das Thema Klimawandel sowie fluiden Umgang mit (Geschlechter-)Identitäten entdecken. Birgit Minichmayr spielt den Puck, Markus Scheumann ist als Theseus und Titania, Sylvie Rohrer als Hippolyta und Oberon zu erleben.

Heldinnen Kriemhild und Brünhild

Kafkas „Verwandlung“, die politisch zu interpretieren schwerer fällt, inszeniert Lucia Bihler, die heuer mit „Die Eingeborenen von Maria Blut“ beim Berliner Theatertreffen zu Gast ist. Der virtuose Brachialkomödiant Herbert Fritsch zeigt ein eigenes Stück namens „Zentralfriedhof“.
Aus dem Genre Überschreibungen: Golda Barton macht aus Nestroys „Talisman“ das Stück „Cypressenburg“, Hauptperson ist Titus Fox, ein junger Arthouse-Filmemacher, der sich den Themen Diversität, Rassismus und Identität widmet. Als „Hildensaga“ um Brün- und Kriemhild feministisch interpretiert hat Ferdinand Schmalz die Nibelungen-Story; in „Phädra, in Flammen“ von Nino Haratischwili (Regie: Tina Lanik) verliebt sich Phädra nicht in ihren Stiefsohn, sondern in die zukünftige Braut ihres Sohnes.

Besetzungen wurden nur wenige neu bekannt gegeben: Dörte Lyssewski wird in Fassbinders „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ die Hauptrolle spielen, Regina Fritsch jene in der neuen „Phädra“.

Mit einer Auslastung von durchschnittlich 77 Prozent gab sich der kaufmännische Geschäftsführer Robert Beutler angesichts vieler noch coronabedingten Absagen und Umbesetzungen zufrieden.

LISTE DER PREMIEREN:

8 x Burgtheater: „Ein Sommernachtstraum“ von Shakespeare (3. 9.), „Die Nebenwirkungen“ von Jonathan Spector (30. 9.) „Der Menschenfeind“ von Molière (17. 11.), „Dantons Tod“ (16. 12.), „Nosferatu“ nach Stoker/Murnau (19. 1. 2024), „Heldenplatz“ von Thomas Bernhard (17. 2.), „Orpheus steigt herab“ von Tennessee Williams (21. 3.), „Zentralfriedhof“ von Herbert Fritsch (19. 4.).

7 x Akademietheater: „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ von Fassbinder (5. 9.), „Phädra, in Flammen“ (7. 10.), „Kaspar“ von Handke (10. 11.), „Hildensaga. Ein Königinnendrama“ von Ferdinand Schmalz (15. 12.), „Die Verwandlung“ nach Franz Kafka (20. 1. 2024), „Iphigenie auf Tauris“ von Goethe (23. 2.), „Der einsame Westen“ von Martin McDonagh (Regie: Mateja Koležnik, 16. 3.).

Kasino: „Solastalgia“ von Thomas Köck (16. 9.), „Peer Gynt“ von Ibsen (15. 3.), „Cypressenburg“ von Golda Barton nach Nestroy (12. 4.).

Vestibül: „Liebe Grüße... Oder wohin das Leben fällt" von Theo Fransz (17.9.), „Abgefuckt“ von Julie Maj Jakobsen (19.11.), „Das Licht der Welt“ von Raphaela Bardutzky (13.4.)

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