Die beiden Gudiberg-Sieger Mario Matt und Reinfried Herbstwollen das Rad der Zeit zurückdrehen.
Er hat schon viel erlebt in seiner Karriere, er hat verschiedene Entwicklungen, Material und Technik betreffend, am eigenen Leib verspürt. Und er ist noch immer da, zählt wieder zum erweiterten Kreis der Medaillenkandidaten. Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren ist Mario Matt Weltmeister im Slalom in St. Anton geworden, ein für den damals 21-jährigen Flirscher ein unvergesslicher Tag. 45.000 Skifans jubelten dem Senkrechtstarter damals zu. 2007 in Are sollte ihm diese Meisterleistung noch einmal gelingen. Teamgold gab's damals als Draufgabe.
In diesem einen Jahrzehnt hat Mario Matt alle Höhen und Tiefen, die man als Sportler durchmachen kann, durchlebt. Große Triumphe, Rückschläge, schwere Verletzungen, Operationen, nicht enden wollende Durststrecken. Viele haben den „Adler vom Arlberg“ zwischenzeitlich abgeschrieben, jetzt muss man ihn wieder auf der Rechnung haben. Trotz höherer Startnummer, die er im heutigen Rennen hat. Vor vier Jahren hat Matt am Gudiberg einen seiner zwölf Weltcupsiege gefeiert, die Erinnerungen sind also durchaus motivierend. „Der Hang“, meint er nur vielsagend, „der liegt mir.“
Matt ist nicht nur älter, sondern auch reifer geworden. Er ist nicht mehr der Draufgänger von früher, er hat gelernt, sich in Geduld zu üben. „Zwischen Sieg und Niederlage liegt ein Millimeter, eine Hunderstel“, weiß er nur allzu gut. „Das sind Entscheidungen, die prägen dich als Sportler und Mensch.“ Die innere Ruhe, die findet er bei seinen Pferden, sein Gestüt ist seine zweite Leidenschaft. Und wenn es die Zeit erlaubt, dann steht er auch in seiner Bar „Krazy Kanguruy“ hinter der Theke. Einschenken aber will er heute der Konkurrenz.
Die Ausfälle von Benjamin Raich und Marcel Hirscher haben die österreichische Slalom-Mannschaft arg zerzaust, Reinfried Herbst hat sich vor einer Woche einen grippalen Infekt eingehandelt, er musste tagelang das Bett hüten. Von einer idealen Vorbereitung konnte keine Rede sein. Die Idealform hat der 32-Jährige in diesem Winter auch noch nicht gefunden. Die Hoffnung gibt Herbst aber nicht auf. „Topfavorit war ich jetzt schon öfter bei einem Großereignis, dann aber war ich übermotiviert. Vielleicht liegt mir die Rolle des Jägers besser!“
Der Gudiberg, das besagt die Statistik, behagt Reinfried Herbst. In Garmisch-Partenkirchen hat er sich die Slalomkugel geholt, einmal gewonnen, einmal stand er als Dritter auf dem Podest. „Träumen muss man immer von großen Dingen.“
Ihre Chance nützten wollen Wolfgang Hörl, 27, und Christoph Dreier. „Ich möchte ja nicht frech werden“, sagt er, „aber eigentlich wünsche ich mir eine Medaille.“ Der 29-Jährige hat nichts zu verlieren, kann alles riskieren. Die schnellsten Schwünge aber beherrschen sicher andere. Wie Ivica Kostelić, Jean-Baptiste Grange oder Andre Myhrer.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2011)