Geschäfte: Blutvergießen lässt die Wirtschaft zittern

(c) Clemens Fabry
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Die heimischen Ölfirma OMV kooperiert bereits seit dem Jahr 1985 mit dem libyischen Regime. Jetzt flüchtet ein Teil der Mitarbeiter aus dem Land. Auch der Aktienkurs des börsenotierten Unternehmens stürzt ab.

Wien. Die offizielle Stellungnahme ist kurz und bündig. „Die Versorgung ist nicht gefährdet. Und an Spekulationen beteiligen wir uns nicht“, ließ Österreichs größter Rohstoffkonzern OMV die „Presse“ am Montag wissen. Tatsächlich haben das Spekulieren längst andere übernommen. Die Aktie des börsenotierten Unternehmens begab sich auf Talfahrt. Am frühen Nachmittag stand ein Minus von sechs Prozent zu Buche.

Den Investoren an der Wiener Börse macht das Engagement der heimischen Ölfirma in Libyen große Sorge. 34.000 Barrel produziert die OMV täglich in dem ölreichen Land. Das entspricht knapp zehn Prozent der Gesamtproduktion. Als eines der ersten ausländischen Großunternehmen wagte sich die OMV bereits 1985 nach Libyen. Besonders pikant: Erst 2008 erneuerte der heimische Konzern alle bestehenden Verträge mit der libyschen National Oil Corporation.

Machtwechsel birgt Risiken

Offiziell will das Unternehmen freilich keinesfalls bestätigen, dass ein möglicher Fall des Regimes von Muammar al-Gaddafi durchaus Risiken für die OMV birgt. Die National Oil Corporation ist so wie die gesamte Ölindustrie Libyens verstaatlicht. Die Verträge des österreichischen Unternehmens laufen bis 2032. Ob der Vertrag das Papier wert ist, auf dem er geschrieben wurde, ist im Falle eines Machtwechsels ungewiss.

Noch fließt der Rohstoff durch die OMV-Leitungen in der libyschen Wüste. Von den 15 Mitarbeitern aus dem Ausland haben am Montag elf das Land verlassen. „Wir haben den Personalstand auf das Notwendigste reduziert. Aber der Betrieb geht weiter“, heißt es aus dem Unternehmen.

Für Unruhe sorgt der Aufstand in Libyen jedenfalls nicht nur an der Wiener Börse. Alle wichtigen Aktienindizes (New York war wegen eines Feiertages geschlossen) verloren am Montag deutlich. Gaddafis Staatsbetriebe sind nach Nigeria der zweitgrößte Ölexporteur Afrikas. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Sorte Brent stieg auf 104,60 Dollar. Damit ist Öl derzeit so teuer wie seit zweieinhalb Jahren nicht mehr.

Der Grund dafür ist nicht nur in Libyen zu suchen. Mit einer Exportmenge von 1,5 Millionen Barrel pro Tag sind die Nordafrikaner weltweit die Nummer zwölf. „Klar, Libyen ist wichtig“, erklärt Tony Nunan, Analyst bei der Investmentgesellschaft Mitsubishi Corporation. „Die für den Ölmarkt entscheidende Frage ist aber, ob die Proteste auf Saudiarabien übergreifen.“ Ein Szenario, das nicht nur Wirtschaftsexperten Sorge bereitet, ist Saudiarabien doch der weltweit größte Ölproduzent.

25 österreichische Firmen in Libyen

In Libyen sorgte der Ölboom, verbunden mit der vorsichtigen Öffnung der Wirtschaft, ab 2004 für beeindruckende Wachstumsraten. Kaum ein Jahr, in dem die Wirtschaftsleistung nicht um sechs Prozent oder mehr zulegte. Kaum ein Jahr, in dem Gaddafi, Missachtung der Menschenrechte hin oder her, seinen Landsleuten nicht mehrere große ausländische Investoren als Wirtschaftspartner präsentierte.

Nicht zuletzt deshalb liegt die Wirtschaftsleistung pro Kopf bei über 14.000 Dollar pro Jahr. Berücksichtigt man die winzige Öl-Diktatur Äquatorialguinea – wo sämtliche Einnahmen in die Taschen der Königsfamilie fließen – nicht, ist Libyen das reichste Land Afrikas, noch vor Südafrika und weit vor Ägypten.

Österreichs Exporteure schnitten an dem Wachstumskuchen des Regimes von Gaddafi fleißig mit. Rund 25 heimische Firmen sind in Libyen tätig, neben der OMV auch die Baukonzerne Porr und Strabag, der Zementhersteller Asamer, der Spitalausstatter Vamed oder die Bawag mit einer Bankfiliale in der Hauptstadt Tripolis.

Das eifrige Engagement machte Libyen zum wichtigsten Handelspartner der Alpenrepublik in Afrika. Die Importe verdreifachten sich im Vorjahr auf 800 Mio. Euro, die Exporte stiegen um ein Drittel auf über 100 Mio. Euro. Die weitere Entwicklung ist nun allerdings ungewiss: Die genannten Unternehmen zogen einen Großteil ihrer Mitarbeiter ab – zumindest vorläufig.

Gefüllte Kassen bei Gaddafis Staatsfonds

Prächtig verdient an dem ausländischen Interesse hat in den vergangenen sechs Jahren jedenfalls einer: Muammar al-Gaddafi. Seine Staatsfonds sind begehrte Investoren im Ausland. So beobachtet die italienische UniCredit das aktuelle Blutvergießen sehr aufmerksam. Gadhafis Fonds halten 7,5 Prozent an der Großbank. In Österreich wiederum zeigte sich Wienerberger 2009 „äußerst erfreut“. Gadhafi wollte bei dem Ziegelhersteller einsteigen – ein Engagement, das letzten Endes aber doch noch platzte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2011)

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Die Nordseesorte Brent legte Montag früh gegenüber Freitag um 1,12 US-Dollar auf 103,64 US-Dollar zu. Der Preis für die US-Referenzsorte WTI stieg um 1,18 US-Dollar auf 87,38 US-Dollar.

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