Cannes: Und jährlich grüßt der rote Teppich

Cannes jaehrlich gruesst rote
Cannes jaehrlich gruesst rote(c) REUTERS (YVES HERMAN)
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Kein Ereignis der Filmbranche lässt sich mit dem Festival an der Côte d'Azur vergleichen, das auch heuer wieder ein Jahrmarkt der Eitelkeiten ist. Hier wurde der Glamour der Kinowelt erfunden.

Das Protokoll zum Festivalbeginn in Cannes kennt feste Regeln und Bräuche wie eine britische Krönungszeremonie. Das Objekt aller Begehrlichkeiten bei diesem Fest der internationalen Filmbranche an der französischen Côte d'Azur ist ein roter Teppich auf den Stufen zum Palast. Wer hier vor den Fotografen im Blitzlichtgewitter den Zuschauern zuwinkt, lächelt und dann gemessenen Schrittes emporsteigt, dem winkt womöglich ewiger Filmruhm.

In Cannes fanden die Premieren der besten Filme der Nachkriegszeit statt. Natürlich hat der etwas verlebt wirkende Badeort am Mittelmeer längst Konkurrenz von anderen Festivals, die ebenso prestigeträchtige Namen auf ihren Plakaten anführen können. Doch kein anderer Filmanlass ist vergleichbar mit dem Original. Hier und nicht anderswo wurde der Glamour der Kinowelt erfunden.

Diese einzigartige Atmosphäre zieht selbst die Prominentesten in ihren Bann. Die größten Stars aus Amerika lassen es sich nicht nehmen, nach Südfrankreich zu reisen, um in der Jury mitzuwirken. Dieses Mal ist es Robert de Niro, der sie präsidiert und mit seinem eigenen Ruhm der diesjährigen Selektion von Produktionen aus aller Welt zusätzlichen Glanz verleiht. An seiner Seite sitzen als Richter eine unvergänglich schöne Uma Thurman sowie ein ebenso schöner Jude Law.

Zusammen mit sechs weiteren Experten werden sie entscheiden, welcher der Filme, die derzeit einem exklusiven Publikum vorgeführt werden, zum Abschluss am 22.die Goldene Palme bekommt. Das ist die berufliche Seite dieses Festivals, bei dem sich Profis aus der Kinobranche und viele Möchtegerne und einige „Has been“ treffen.

Zugleich ist Cannes eine Modeschau, ein sprichwörtlicher Jahrmarkt der Eitelkeiten, ein Stelldichein der Jetsetter und eine Börse für Klatsch. Die Schauspielerinnen liefern sich mit ihren Abendroben einen inoffiziellen Schönheitswettbewerb. Wer hat dieses Mal das gewagteste Dekolleté, die ausgefallenste oder schlicht die eleganteste Kreation? Zunächst aber gilt es erst einmal, mit Pepsodent-Lächeln die paar Stufen zu erklimmen, ohne zu stolpern.

Das Casting der Filme schafft dazu vorübergehende Traumpaare, wie sie sich die Regenbogenpresse wünscht: Johnny Depp mit Penélope Cruz, Arm in Arm bei der Vorführung des vierten Teils der Piratenserie „Fluch der Karibik“ oder Owen Wilson neben der kecken Marion Cotillard an der Seite von Léa Seydoux und Adrien Brody für „Midnight in Paris“ von Altmeister Woody Allen, einem Stammgast in Cannes. Nicht zum Festival kam – trotz ihrer viel beachteten kleinen Nebenrolle in diesem Film – Carla Bruni. Den Grund dafür verriet ungewollt und mit amerikanischer Direktheit der Regisseur Woody Allen, der so die Gerüchte über die Schwangerschaft der Gattin des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy bestätigte: „Wir freuen uns so für sie, weil sie nun eine so glückliche Erfahrung vor sich hat.“ Mittlerweile bestätigte auch Brunis Mutter offiziell die Schwangerschaft.

Sarkozy ist in Cannes übrigens selbst auch zugegen, nur nicht leibhaftig, sondern in Facetten seines Charakters dargestellt und mit allen Ticks treffend imitiert von Denis Podalydès. Im Film, „La Conquête“ wird mit unzähligen, dem breiteren Publikum noch unbekannten Details die Geschichte der Eroberung der Macht durch diesen kleinen Politiker mit unbegrenzten Ambitionen geschildert. Viele Franzosen hätten sich wohl gewünscht, dass dies bloß Fiktion war. Apropos Fiktion – für Gelächter sorgte Brad Pitt, der in „The Tree of Life“ einen autoritären Vater spielt. „Ich schlage meine Kinder regelmäßig“, meinte der US-Schauspieler. „Das scheint zu helfen.“


Auch Stars, die man seit Längerem nicht auf der Leinwand gesehen hat, sind in Cannes, um sich zu zeigen oder sich in Erinnerung zu rufen. Die ewig junge und unvermindert attraktive Jane Fonda war es sich wert, als Werbeträgerin eines Konzerns für Kosmetik eine Runde vor den Schaulustigen zu drehen. Viel Applaus von unentwegten Fans bekam auch Claudia Cardinale. Speziell geehrt wird dieses Mal der inzwischen 78-jährige Jean-Paul Belmondo, der bereits als französische Filmlegende gelten darf. Im Rollstuhl kam der Italiener Bernardo Bertolucci (70), dem zu Beginn für sein Gesamtwerk eine „Ehren-Palme“ verliehen wurde, wie vor zwei Jahren schon dem (sehr rüstigen) Clint Eastwood. Ein Hauch von Nostalgie – aber auch der gehört in Cannes zum Protokoll.

Auf einen Blick

Filmfestspiele: Das Filmfestival in Cannes gehört zu den wichtigsten Ereignissen der Filmbranche. Zur heurigen Veranstaltung, die noch bis 22.Mai läuft, kamen unter anderem Brad Pitt, Penélope Cruz, Johnny Depp und Adrien Brody an die Côte d'Azur, um ihre aktuellen Filme vorzustellen.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.festival-cannes.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2011)

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