Jetzt will also auch die aktuelle Chefin im Finanzressort ein ausgeglichenes Budget erreichen. Damit werden wir in Österreich unsere Probleme aber nicht lösen.
Seit gestern wissen wir also ganz offiziell, was von Beschlüssen des Nationalrats zu halten ist: nicht sonderlich viel. Der hat nämlich das Finanzrahmengesetz verabschiedet, das für 2015 ein Defizit von zwei Prozent vorsieht. Papperlapapp. In vier Jahren werden wir nämlich schon ein Nulldefizit haben, verkündete Finanzministerin Maria Fekter gut gelaunt ein paar Stunden vor dem Beschluss im Radio. Ist doch schön, wenn man so ehrgeizige Politiker hat.
Seit gestern wissen wir freilich – einmal mehr – ebenso, was von politischen Ankündigungen zu halten ist: nämlich auch nicht sonderlich viel. Wäre es Frau Fekter ernst mit ihrer großmundigen Ankündigung, dann hätten die Regierungsparteien mit einem simplen Abänderungsantrag das Nulldefizit im Finanzrahmengesetz verankern können. Das wäre ein Signal gewesen!
Also nehmen wir die Aussage von Frau Fekter als das, was sie ist: Wahlkampfgetöse. Es ist zwar noch ein bisschen früh, schließlich soll regulär erst 2013 gewählt werden, aber es passt in die Stimmung der vergangenen Tage und Wochen. Wenn schon die SPÖ mit ihrem klassenkämpferischen Wahlkampf gegen Besserverdiener und Banker begonnen hat, warum sollte die ÖVP zurückstehen?
Die Treichl-Debatte hat aber eindrucksvoll belegt, wie richtig eine Analyse des tief im Inneren blitzgescheiten Wiener Bürgermeisters Michael Häupl war: dass nämlich Wahlkampf die Zeit fokussierter Unintelligenz sei. Und die Situation Österreichs ist leider zu ernst, um die Themen Budget und Steuern in einer solchen Zeit zu debattieren.
Wie dramatisch die Situation ist, zeigt ein Blick in den World-Competitiveness-Report, der jährlich die Qualität von 59 Staaten als Wirtschaftsstandort vergleicht. Österreich ist zwischen 2010 und 2011 von Rang 14 auf 18 zurückgefallen. 2007 lagen wir noch auf Platz elf. Wenn das so weitergeht, werden wir uns mit Aserbaidschan nicht nur im Songcontest matchen, sondern auch im Wirtschaftsranking.
Natürlich ist ein Nulldefizit zu begrüßen, solange es nicht zum populistischen Mantra wie unter Schüssel/Grasser wird, dem alles andere untergeordnet ist und das schon ein paar Jahre später (2004) vom höchsten Budgetdefizit (4,4 Prozent) des Jahrzehnts abgelöst wird. Wobei ein Nulldefizit Österreich ja noch nicht wirklich weiterhilft, wir brauchen schon einen Budgetüberschuss und ein ordentliches Wirtschaftswachstum, um von unseren Schulden runterzukommen. Man kann nicht oft genug erwähnen, dass wir für den Zinsendienst dreimal so viel Geld aufwenden (7,5 Milliarden Euro), wie wir jährlich für die Universitäten ausgeben.
Wie aber will Finanzministerin Maria Fekter dieses Nulldefizit erreichen? Genauso wie der mindestens ebenso charismatische Karl-Heinz Grasser: mit Privatisierungen.
Nun ist diese Zeitung ja nicht gegen mehr Marktwirtschaft und Privatisierungen, sie werfen aber einige grundsätzliche Probleme auf: Erstens können wir gar nicht so viel verkaufen, wie wir Schulden haben. Da müsste schon Realität werden, was Bundesforste-Vorstand Georg Schöppl ironisch überspitzt zur Privatisierungsfrage meinte: „Dachstein und Attersee zu verkaufen.“ Doch selbst wenn wir die ein paar reichen Chinesen verkaufen können, reicht es nicht – nicht einmal dann, wenn wir Schloss Schönbrunn noch draufgeben.
Zweitens bringen Privatisierungen nur Einmalerlöse. Mit weniger Schulden senken wir zwar die Höhe der Zinszahlungen. Aber an den Strukturproblemen hat sich deswegen nichts geändert. Und unser wahres Problem ist, dass die Ausgaben dauerhaft höher liegen als die Einnahmen; dass wir ein Pensionssystem haben, das kostenmäßig explodiert; dass wir eines der teuersten, aber trotzdem ineffizientesten Gesundheitssysteme Europas haben; dass wir einen überverwalteten Staat haben. Würde Maria Fekter diese Probleme mit einer ähnlichen Vehemenz angehen, wie sie als Innenministerin die Abschiebung von Ausländern anging, wäre das Budget in ein paar Jahren dauerhaft saniert – und man müsste nicht einmal den Dachstein und den Attersee verkaufen.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2011)