Mitte-Links-Parteien können sich nicht wirklich über Berlusconis Niederlagen freuen. Für einen Machtwechsel sind sie nicht gewappnet. Zum ersten Mal seit Jahren liegt die Opposition in Meinungsumfragen vorn.
Sieger sehen anders aus. Mit eher gequältem Lächeln kommentierte Pier Luigi Bersani, Chef von Italiens größter Oppositionspartei, den Demokraten, den Ausgang des Referendums vom Wochenende. Einmal mehr forderte er den Rücktritt von Premier Silvio Berlusconi. Doch Bersani weiß nur allzu gut, dass für den Ausgang der Volksabstimmung zu Atomkraft und anderen Themen am allerwenigsten seine Partei verantwortlich ist. Berlusconis Niederlage beim Referendum bringt auch die Linke in Verlegenheit. Denn sie war auf ein derartiges Ergebnis ebenso wenig vorbereitet wie das konservative Lager.
Dabei gäbe es durchaus Grund, zum Angriff überzugehen. Zum ersten Mal seit Jahren liegt die Opposition in Meinungsumfragen wieder vorn. Berlusconis Popularität ist abgesackt, nur noch 39Prozent der Italiener würden derzeit seine Allianz mit der Lega Nord wählen, ihn selbst gar nur noch 29Prozent. Die Mitte-Links-Opposition, bestehend aus der „Demokratischen Partei“ Bersanis, der Kleinpartei „Italien der Werte“ des Ex-Staatsanwalts Antonio Di Pietro und der Partei „Linke, Ökologie und Freiheit“ von Nichi Vendola käme auf über 42Prozent. Die Opposition ist auf Wahlen nicht vorbereitet. Die christdemokratischen Parteien der Mitte lavieren. Die Linke stünde, träte Berlusconi zurück, ohne Strategie und gemeinsamen Spitzenkandidaten da.
Selbst der Mann, der als Berlusconis schärfster Gegner gilt, ist erstaunlich leise geworden. Di Pietro, der das Referendum initiiert hat, wird sonst nicht müde, Berlusconi zum Gehen aufzufordern. Jetzt aber hält er sich mit Rücktrittsforderungen zurück. Die Allianz der drei Parteien müsse als Alternative bereitstehen, beschwor er nun im Gespräch mit Auslandskorrespondenten in Rom. Doch gab er sich dabei so zahm wie selten. „Wir müssen zuerst ein Programm erarbeiten.“ Erst dann könnten die in der „Demokratischen Partei“ (PD) üblichen Urwahlen für einen gemeinsamen Spitzenkandidaten stattfinden. „Den Ausgang der Urwahl werden wir akzeptieren“, versicherte er.
Streit um Spitzenkandidaten
Die Führerschaft allerdings ist hoch umstritten. Viele PD-Mitglieder hegen gegen den polarisierenden Juristen eine ebenso tiefe Abneigung wie gegen Nichi Vendola. In der Partei kämpfen nach wie vor Katholiken und einstige Kommunisten um Einfluss. Parteichef Bersani, ebenfalls ein Exkommunist, gilt als integer, ist aber alles andere als ein mitreißender Redner. Zutiefst verstörte es die Parteistrategen, dass bei den Kommunalwahlen in Mailand und Neapel ausgerechnet sehr linke oder unabhängige Kandidaten das Bürgermeisteramt eroberten. Erst spät erkannte die PD, dass das Referendum nach Fukushima ganz andere Erfolgsaussichten bekommen hatte.
Dass die Mobilisierung innerhalb weniger Tage doch noch auf Hochtouren lief, war Verdienst derer, die auch die Demokraten längst verloren haben: Die Jungen, die Unzufriedenen, die trotz guter Ausbildung kaum noch Hoffnung auf einen sicheren Arbeitsplatz haben, riefen über soziale Netzwerke dazu auf, an die Urnen zu gehen. Umweltschützer, Frauengruppen, lokale Bürgerinitiativen warben um Unterstützung für das Nein zur Atomkraft und zur Privatisierung der Wasserversorgung.
Auf einen Blick
Italiens Opposition aus Pier Luigi Bersanis „Demokratischer Partei“, „Italien der Werte“ des Ex-Staatsanwalts Antonio Di Pietro und „Linke, Ökologie und Freiheit“ von Nichi Vendolascheint auf Neuwahlen nicht vorbereitet. Sie hat kein gemeinsames Programm und keinen Spitzenkandidaten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2011)