Die liberal-konservative Widerstandsbewegung

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Österreichs eigenwilligste Volksgruppenvertretung polarisiert, und das nicht erst seit der Ablehnung des mühevoll austarierten Kompromisses zum Ortstafelgesetz. Der Volksrat der Kärntner Slowenen - ein Porträt.

Franz Josef Smrtnik aus Eisenkappel/Železna Kapla ist Kärntens einziger slowenischer Bürgermeister. Er hat nicht mitgestimmt, als der Volksgruppentag des Rats der Kärntner Slowenen, dessen Mitglied er ist, am Freitag voriger Woche das Ortstafelgesetz doch noch ablehnte. Er sei verhindert gewesen, sagt Smrtnik, der auch für ein Ja bei der Ortstafelvolksbefragung von Landeshauptmann Dörfler geworben hatte.

In der Sache, meint Smrtnik, sei die Ablehnung durchaus argumentierbar, würde doch in zwei Gemeinden, St. Kanzian und Eberndorf, die Amtssprachenregelung nur sehr restriktiv umgesetzt. Das sei aber weniger die Schuld des FPK-Landeshauptmanns als vielmehr jene der SPÖ-Bürgermeister. Er, Smrtnik, stehe aber weiterhin zum Kompromiss wie auch zum Rat. „Die Juristen bei uns sehen das halt anders. Ich bin Bauer und Bürgermeister und weiß, dass man gewisse Sachen nicht immer per Gesetz erzwingen kann.“

Narodni svet koroških Slovencev, wörtlich „Volksrat der Kärntner Slowenen“ – die rund 5000 Mitglieder starke Interessensvertretung polarisiert, und das nicht erst seit der Ablehnung des mühevoll austarierten Ortstafelkompromisses. Den seinerzeit von Wolfgang Schüssel initiierten Verhandlungen hatte sich der Rat gleich von Beginn an verweigert. Dies brachte ihm den Ruf ein, die radikalste der drei Slowenenorganisationen zu sein.

Als Hardliner im Rat gelten etwa Rudolf Vouk, der mit seiner Schnellfahraktion die alte Ortstafelregelung gekippt hatte, Jože Wakounig, Nanti Olip oder Karel Smolle. Ihnen gegenüber stehen die Moderaten wie Franz Josef Smrtnik oder dessen Bruder Vladimir, Chef der Einheitsliste/Enotna Lista (die Kärntner Slowenen haben nicht nur drei Interessenvertretungen, sondern auch eine Partei).

Und Inzko mittendrin. Und mittendrin: Valentin Inzko. Der umgängliche Diplomat sei ein Getriebener der Radikalen, heißt es immer wieder. Und tatsächlich musste er sich intern vorwerfen lassen, eigenmächtig gehandelt zu haben, als er dem Kompromiss zustimmte. Sein eigener Sohn demonstrierte in Wien gegen die 164-Tafel-Lösung. Schlussendlich wurde Inzko dann auch von seinen Funktionären zurückgepfiffen. Manche Mitverhandler glauben aber, dass Inkzo im Inneren seines Herzens selbst auch den Positionen von Vouk und Co. zuneige.

Schon sein Vater, Valentin Inzko senior, war in den Sechzigerjahren – über die Volksgruppe hinaus geachtet – Obmann des Rats der Kärntner Slowenen gewesen. Dieser war 1949 gegründet worden, als Sammelbecken der christlich-konservativen Slowenen, im Haus der Hermagoras-Bruderschaft, der wichtigsten slowenischen Kultureinrichtung. Noch heute fühlt man sich im Rat dem christlichen Weltbild verpflichtet, und unter der Führung Valentin Inzkos spielt das nun auch wieder eine bedeutenderere Rolle als unter seinen Vorgängern. Der christliche Glaube sei auch für ihn persönlich sehr wichtig, sagt Inzko.

Galt der Rat lange als eher ÖVP-nahe, so kamen seit den Neunzigerjahren immer wieder LIF-Politiker aus seinen Reihen: Die heutige LIF-Chefin Angelika Mlinar war Generalsekretärin des Rats, Rudolf Vouk war Kärntner LIF-Spitzenkandidat bei der Nationalratswahl 2008, Karel Smolle war sogar liberaler Nationalratsabgeordneter.

Anfang der Nullerjahre erreichte der Konflikt zwischen den moderaten und radikaleren Kräften im Rat dann einen Höhepunkt. Der damalige (zu) konziliante Obmann des Rats, Bernard Sadovnik, spaltete sich daraufhin 2003 mit seiner Gemeinschaft der Kärntner Slowenen ab. Die Gemeinschaft und Marjan Sturms Zentralverband, die dritte Interessenvertretung, stehen heute hinter der Ortstafellösung.

Der Zentralverband hat sich im Laufe der Jahre von einer titoistischen zu einer linksliberalen Bewegung gewandelt. Je verbindlicher dieser wurde, desto engstirniger wurde der Rat. Valentin Inzko sieht das natürlich „überhaupt nicht so“. „Warum ist man ein Hardliner, nur weil man auf die Einhaltung des Staatsvertrags pocht?“ Inzko gesteht aber zu, dass man die Ablehnung schlecht kommuniziert habe. „Fürs Image ist es verheerend.“

Im Vorjahr, bevor Inzko sein Amt antrat, wollte sich der Rat sogar auflösen. Slowenien hatte die Subventionen gekürzt. Doch der Volksgruppentag, das 48-köpfige Mini-Parlament des Rats, lehnte das Ansinnen der Führung ab. Wie nun die Ortstafellösung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2011)

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