Der Ärger nach der Prüfung der europäischen Finanzinstitute ist groß - weil die Pleite Griechenlands ausgeklammert worden ist. Für die acht Durchfaller gibt es auch keinen Zwang, ihre Kapitaldecke zu stärken.
Brüssel/Frankfurt/Ag./Red. Den größten Stress hatte die wochenlange Diskussion um die Kriterien ausgelöst, mit denen die Europäische Bankenaufsicht EBA den Finanzinstituten auf den Zahn fühlte. Obwohl die Anforderungen strenger als 2010 waren (damals wurden die Banken erstmals auf ihre Kapitalkraft abgeklopft), fehlte in der aktuellen Simulation das wichtigste Thema nahezu komplett: die Pleite eines Eurolandes. Der drohende Bankrott von Griechenland, Portugal und Irland sowie die nur marginal bessere Situation in Spanien und Italien treibt (Noten-)Bankern, Börsianern und Politikern den Schweiß auf die Stirn – und nicht die acht Durchfaller im Stresstest.
Das Ergebnis sei wenig aussagekräftig, monieren deshalb auch Experten. Nur acht von 90 Banken fielen durch – eine ist die ÖVAG in Österreich. „Das eigentliche Problem liegt nicht – wie nun getestet – in den Verlusten der Banken, sondern im Zugang zum Kapitalmarkt und in der Liquidität“, sagt Daniel Gros, Leiter des Centre for European Policy Studies (CEPS).
Der Stresstest, der schon vor Monaten entworfen wurde, sei von den aktuellen Ereignissen überrollt worden. Aussagekraft habe er nur dann, wenn die Politik einen Ausweg aus der Staatskrise finde. „Der Kriegsschauplatz sind nicht mehr die Banken, sondern ist der Euro“, meint Gros.
„Krisen haben immer viele Dimensionen. Ein solcher Test bildet nur ein mögliches Szenario ab – und es ist extrem manipulierbar, welches Szenario das ist“, meint auch Bankenexperte Hans-Peter Burghof. Sollten sich die Staats- und Regierungschefs beim Gipfel am kommenden Donnerstag tatsächlich zu einer Teilentschuldung Griechenlands durchringen – und zwar unter Beteiligung privater Gläubiger, sprich der Banken –, würde deren Überleben auch davon abhängen, wie viele griechische Staatsanleihen sie in den Büchern haben, die dann ausfielen.
Im Stressszenario sei ein Abschlag von 25 Prozent auf zehnjährige griechische Staatsanleihen berücksichtigt, teilte die EBA mit. In der Realität notieren sie aber bis zu 50Prozent unter dem Buchwert. Das im Zuge des Stresstests veröffentlichte Engagement in den Schuldenländern stammt zwar vom Jahresende 2010, es gibt aber dennoch Aufschluss über Größenordnungen (siehe Grafik).
Ein Teufelskreis
Bankenkrise und Euroschuldenkrise sind nur zwei Seiten einer Medaille. In Griechenland stand am Anfang die Staatsschuldenkrise, die seitdem die Banken unter Druck setzt. In Irland waren es dagegen die maroden Geldhäuser, die den Staat in den Abgrund rissen. „Das ist ein Teufelskreis“, sagt Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance & Management. Weil die Realität nicht berücksichtigt wurde, habe man „eine große Chance auf die Glaubwürdigkeit des Tests vertan“, meint Faust. Andere Experten sprechen sogar von einem „PR-Gag“ ohne Bedeutung. Faust sieht einen – negativen – Effekt: Gerade die wiederholten Beschwerden der Banken über den Test hätten das Vertrauen der Bevölkerung weiterschwinden lassen.
Jedenfalls sollen sich die Durchfaller bis Jahresende mit frischem Kapital versorgen, die Rede ist von 40 Mrd. Euro. Einen Zwang dazu gibt es aber nicht. Ein Grund mehr, dass Experten von einem zahnlosen Test sprechen. In den USA lief das anders: Beim ersten Stresstest prüfte die US-Regierung vor zwei Jahren die 19 größten Geldinstitute, zehn mussten auf Anordnung von Finanzministerium und Notenbank ihre Kapitaldecke stärken.
Wenig Chance auf Rettung
In Europa will die EU-Kommission am Mittwoch neue Regeln zum Eigenkapital von Banken vorschlagen. Damit werden die internationalen Mindeststandards (Basel-III) umgesetzt. In den meisten Ländern mit Durchfallern, wie auch in Österreich, gibt es staatliche Auffangschirme. „Die entscheidende Frage ist doch: Sind die Länder in der Lage, ihre Banken zu stützen? Daran gibt es nun Zweifel“, sagt auch Volkswirt Jürgen Michels von der Citigroup.
Auf einen Blick
Der Stresstest von 90 europäischen Banken löst bei Experten überwiegend große Kritik aus. Er spiegle nicht die Realität wider, da eine mögliche Pleite Griechenlands nicht berücksichtigt worden sei, heißt es. Die Eurokrise habe den Stresstest überrollt. Die Ergebnisse stimmten nur, wenn die Politik eine Lösung schaffe. Das heftige Gezerre um die Kriterien stärke außerdem in der Bevölkerung nur das Misstrauen gegenüber den Finanzinstituten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2011)