Rumänien kommt „langsam aus dem Dunkel“

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Die Krise hat das Land hart getroffen. Für österreichische Firmen gibt es aber nach wie vor Potenzial. Der Ausblick für das heurige Jahr ist stabil, an frühere Wachstumsraten wird das Land nicht herankommen.

Bukarest/Wien. „Die Hauptstadt der rumänischen Wirtschaft ist nicht Bukarest, sondern Wien.“ Seit den großen Übernahmen österreichischer Firmen in Rumänien steckt in diesem lockeren Spruch manch heimischer Banker mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit. Als Türöffner für Österreichs Wirtschaft fungierte die OMV, als sie sich 2004 um 1,5 Milliarden Euro in den staatlichen Energieriesen Petrom einkaufte. Fünf Jahre später legte die Erste Bank mit einem nicht minder spektakulären Coup nach und übernahm um 3,75 Milliarden Euro die Mehrheit an der BCR.

Die Spuren, die Österreichs Unternehmen seither in Rumänien hinterlassen haben, sind tief. Ein guter Teil des Banken- und Versicherungswesens ist fest in österreichischer Hand. Seit die Vienna Insurance Group 2007 den damals drittgrößten rumänischen Versicherer Asirom übernommen hat, kontrollieren österreichische Institute fast die Hälfte des Marktes. Auch in der Energiewirtschaft sind die Österreicher zu einem Machtfaktor im Land geworden. Mit diesen Investitionen hätten die österreichischen Investoren Rumänien erst ins internationale Rampenlicht gebracht, erzählt man sich hierzulande gerne.

Kontroverse um Petrom

In Rumänien sieht das offenbar nicht jeder so. Der Verkauf des früheren Staatsbetriebs Petrom an die Österreicher habe „der rumänischen Wirtschaft einen riesigen Schaden zugefügt“, polterte Regierungschef Emil Boc im Frühjahr. Damals hatte Petrom eben die Schließung der unrentablen Raffinerie Arpechim beschlossen. Zudem murrte die Bevölkerung über hohe Benzinpreise. Schnell kam der Vorwurf wieder hoch, dass die OMV bei dem Deal „zu gut“ ausgestiegen sei. Immerhin bezieht die Petrom rumänisches Öl immer noch zu einem Bruchteil des Marktpreises.

OMV-Chef Gerhard Roiss rührte die Kritik damals kaum: Seit 2005 habe die OMV 6,6 Milliarden Euro in Rumänien investiert, über zehn Milliarden Euro an Steuern abgeliefert und so nebenbei einen jahrelangen Verlustbringer in ein ertragreiches Unternehmen verwandelt.

Nur wenig später war auch die Kritik aus Bukarest verstummt, wollte die Regierung doch die Hälfte ihres verbliebenen Petrom-Anteils an der Börse versilbern. Gut zehn Prozent schrieb Bukarest zur Privatisierung aus – und scheiterte an überzogenen Preisvorstellungen. „Für die kommenden Privatisierungen in Rumänien ist das kein gutes Zeichen“, sagt Rudolf Lukavsky, Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Bukarest zur „Presse“. Die Privatisierung sei schlecht vorbereitet gewesen, zudem sei der „Börseplatz Bukarest noch nicht stark genug für so große Aktienpakete“.

Damit dürften auch die weiteren Privatisierungen in der rumänischen Energiewirtschaft, die Internationaler Währungsfonds (IWF) und EU im Gegenzug für ihre Finanzhilfen gefordert hatten, ins Wanken geraten. Für den rumänischen Staatschef, Traian Basescu, ist das kein Drama: „Wir befinden uns nicht in der Situation, zu jedem Preis verkaufen zu müssen. Rumänische Anlagen können nicht zu Schrottpreisen gekauft werden“, betonte er.

Tatsächlich haben die radikalen Sparmaßnahmen, die die Regierung im Vorjahr durchgesetzt hatte, Wirkung gezeigt. Die Mehrwertsteuer wurde unter Protesten der Bevölkerung von 19 auf 24 Prozent erhöht, 1,4 Millionen Beamte müssen mit einem Viertel weniger Gehalt auskommen, 300.000 Staatsdiener sollen gehen.

Dafür wird das Defizit heuer bei 4,4 Prozent des BIPs zu liegen kommen, 2012 sollen es nur noch drei Prozent sein. Rumänien werde heuer „sicher keinen Cent vom IWF oder der EU brauchen“, erklärte Basescu anlässlich der jüngsten Stippvisite seiner Kreditgeber stolz. Die 5,4 Milliarden Euro, die Währungsfonds, EU und Weltbank für Notfälle bereitgestellt haben, dürfte das Land tatsächlich nicht anrühren.

Realwirtschaft betroffen

Opfer der krisenbedingten Sparanstrengungen war die Realwirtschaft. Erst 2011 komme Rumänien „langsam aus dem Dunkel“, schreibt Gábor Hunya, Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) in seiner jüngsten Rumänien-Analyse. Im ersten Halbjahr wuchs die rumänische Wirtschaftsleistung erstmals wieder um 1,7 Prozent, vor allem die Exportindustrie sorgt für Impulse.

Der Ausblick für das heurige Jahr ist stabil, an frühere Wachstumsraten wird das Land dennoch lange nicht mehr herankommen. Denn internationale Investoren machen derzeit noch einen großen Bogen um Rumänien. Im ersten Halbjahr kamen gerade 866 Millionen Euro an Direktinvestitionen ins Land. 2010 waren es in Summe 2,55 Milliarden Euro, zwei Drittel weniger als noch 2008. Immer noch kommt knapp ein Fünftel der Investitionen aus Österreich.

Chancen für Österreichs Unternehmen sieht Lukavsky vor allem in der Ökoenergiebranche und im Infrastrukturausbau. Mit nur 313,5 Kilometern Autobahn liegt das 21-Millionen-Land weit unter dem EU-Durchschnitt. So erhielt das rumänische Transportministerium kürzlich knapp 400 Millionen Euro zusätzlich, um den Autobahnausbau zu forcieren, wovon heimische Firmen wie Alpine, Swietelsky und Strabag profitieren. Bis 2013 stünden Rumänien für den Straßenbau auch 5,7 Milliarden Euro aus den Fördertöpfen der Europäischen Union zur Verfügung, tatsächlich in Anspruch genommen wurden bis Mai 2011 aber nur 47 Millionen Euro, also weniger als ein Prozent.

Auf einen Blick

Mit diesen Deals wurde Österreich in Rumänien zum großen Player: 2004 übernahm der Ölkonzern OMV die Mehrheit am staatlichen rumänischen Konkurrenten Petrom um 1,5 Milliarden Euro. Drei Jahre später schnappte sich die Vienna Insurance Group den damals drittgrößten rumänischen Versicherer Asirom. 2009 war die Erste Bank an der Reihe: Sie übernahm um 3,75 Milliarden Euro die Mehrheit an der Bank BCR.

Vor allem der OMV-Einstieg bei Petrom war jedoch mit Problemen verbunden. Der Verkauf habe der rumänischen Wirtschaft großen Schaden zugefügt, kritisierte unter anderem Regierungschef Emil Boc. Für Bukarest ist die Causa Petrom nicht ausgestanden – der Versuch der Regierung, sich von einer Tranche der Petrom-Aktien zu trennen, schlug vor wenigen Wochen spektakulär fehl: An der Börse fanden sich zu wenige Interessenten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2011)

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