Jetzt kommt der Kater nach dem iPad-Rausch

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Nachrichten-Apps ziehen Leser an, aber längst nicht so viele, wie im Vorjahr voreilig prognostiziert worden ist. Verlage suchen nach neuen Ideen, die APA startet im Oktober den Digital-Kiosk.

Es ist nicht bekannt, ob Matthias Döpfner, der Vorstand des deutschen Verlagsriesen Axel Springer („Bild“, „Die Welt“), sein Loblied auf Apple-Gründer Steve Jobs heute bereut: „Jeder Verleger sollte sich einmal am Tag hinsetzen, beten und Steve Jobs dafür danken, dass er mit diesem Gerät die Verlagsindustrie rettet“, sagte er im April 2010. Live. In einer US-Talkshow.

Viele Verleger wurden von Döpfners Euphorie angesteckt. Sie sahen in Apples iPad, dem Tablet-Computer mit Touchscreen, das Zaubermittel gegen sinkende Auflagen und Werbeeinnahmen. Eineinhalb Jahre später ist das Loblied der Verlage auf das iPad leiser geworden, die Euphorie etwas verblasst. Bei Springer will man Apples Leistung rund um iPhone und iPad dennoch nicht schmälern. Für Georg Konjovic, den Direktor für Premium Content, der für Döpfner spricht, ist das, was Apple mit diesen Geräten geschafft hat, immer noch „eine Errungenschaft, für die man dankbar sein muss“. Weil damit bei den Kunden eine Zahlungsbereitschaft für Inhalte auf digitalen Kanälen geschaffen wurde. Dennoch habe das Lob, auch das von Döpfner im US-Fernsehen, immer eine Einschränkung gehabt: Die 30 Prozent, die Apple von den Verlagen für jede verkaufte Applikation (kurz: App) haben will, seien „dauerhaft nicht diskutabel“. Man verhandle zwar mit Apple, realistisch sei eine baldige Änderung der 30-Prozent-Share aber nicht.

Der Kannibalisierungseffekt bleibt aus

Abseits von Euphorie und Enttäuschung haben die Verlage im App-Jahr eins wertvolle Erkenntnisse gewonnen. Zwei der wichtigsten sind: Während das Internet ein „Büromedium“ ist, entspricht das Nutzungsverhalten auf Tablets dem von Print, es wird eher abends und in der Freizeit gelesen. Und: Die Nutzung von Zeitungen steigt insgesamt, die Print-Abos gehen nicht zurück.

Eine kürzlich von Springer veröffentlichte Umfrage unter 700 iPad-Nutzern ergab, dass 68 Prozent Zeitungen und Magazine auf dem iPad nutzen, die sie bisher gedruckt nicht gelesen haben. „Daher ist kein Kannibalisierungseffekt eingetreten“, sagt Konjovic. Bei Springer gewann man noch eine dritte, sehr wesentliche Erkenntnis: Auf Tablets wird bereitwilliger Geld für journalistische Inhalte ausgegeben. Gerade diese Erkenntnis muss österreichische Verleger schmerzen, denn der Austro-App-Markt wird anders als der deutsche von Gratis-Applikationen für das iPhone dominiert („Krone“, „Österreich“, „Standard“, „Presse“), die erst in den vergangenen Monaten durch kostenpflichtige Apps („Kurier“, „Profil“) ergänzt oder abgelöst wurden. Ein klassisches Don't beim Angebot von hochwertigen Nachrichten-Apps, sagt Konjovic: „Alles, was wir in diesem Bereich machen, hat ein Preisschild.“ Josef Trappel, Medienökonom an der Universität Salzburg, ergänzt: „Es wird schwieriger, für etwas Geld zu verlangen, wenn es einmal gratis war.“

Eine neue kostenpflichtige iPad-App hat der „Standard“ Ende Juli gestartet, zu den Download-Zahlen seiner Apps will der Verlag derzeit keine Angaben machen. Geschäftsführer Wolfgang Bergmann sagt aber: „Die Zugriffszahlen steigen. Aber die iPad-App ist immer noch ein Minderheitenprogramm, das eher für Profi-Anwender interessant ist und noch lange keine Durchdringung in den relevanten Haushalten hat.“ Der „Kurier“ hat mittlerweile sieben Apps eingeführt, darunter drei Gastronomieführer und eine für die Futurezone. Die reinen „Kurier“-Apps wurden rund 110.000-mal heruntergeladen, die der Futurezone 30.000-mal. Die „Presse“-App für iPhone und iPad wurde bisher 115.000-mal heruntergeladen.

Für Josef Trappel von der Uni Salzburg hat die Einführung von Tablets (die immer noch Apple mit seinem iPad dominiert) und Smartphones (bei denen die Nicht-Apple-Geräte zunehmen) vor allem einen Effekt: „Einen psychologischen. Endlich geht wieder etwas nach oben.“ Nach ständig sinkenden Auflagen und Inseraten sei das für Verlage eine echte Erleichterung. „Aber ökonomisch spielt dieser neue Markt leider immer noch eine geringe Rolle.“ Trappel bezweifelt zudem, was der Axel-Springer-Verlag hartnäckig behauptet: „Dass die Applikationen auf mobilen Endgeräten vorwiegend neue Leser anspricht – dieser Beweis ist nicht erbracht.“ Langfristig werden die Zuwächse auf dem digitalen Markt spiegelbildlich zu einem Rückgang der Print-Abos führen. Bis es so weit ist, dass die Verlage die Druckmaschinen abschalten können, dauert es aber noch lange, so Trappel. Bis dahin haben die Medienunternehmen viele Bälle in der Luft und müssen sowohl die herkömmlichen Print- als auch die Digitalkanäle betreuen.

Perfekter Werbeträger?

Bei Springer will man allerdings noch etwas Positives an den neuen Lesegeräten erkannt haben: Das Tablet sei der perfekte Werbeträger. Die Umfrage habe ergeben, dass ein Drittel der Nutzer auf Anzeigen in den Apps klickt, sich danach im Internet die Homepage des Unternehmens ansieht oder das Produkt kauft. In Zukunft könnte die Anzeige direkt mit der Homepage des Unternehmens verlinkt werden, die Werbung bekommt hier einen großen neuen Spielraum.

Apropos Zukunft. Was bringt sie in dem Sektor? Während die Verlage weiterhin an der Verbesserung ihrer Applikationen arbeiten und sie auch für Nicht-Apple-Geräte adaptieren, plant die Austria Presse Agentur, alle Apps ihrer Genossenschafter in einem „Digital-Kiosk“ zu bündeln. Eine erste Version des plattformneutralen HTML5-Kiosks, der für alle Endgeräte und das Internet anwendbar ist, soll im Oktober online gehen. Offen ist noch, wie für den Kiosk geworben wird und wie viel die einzelnen Ausgaben kosten sollen. Vorbild sind internationale Modelle wie „Zinio“ oder Springers „iKiosk“.

Technisch gesehen wird der Herbst jener der „Apps dritter Generation“, sagt Alexander Stickelberger, Wien-Geschäftsführer des international tätigen App-Entwicklers Nousguide. Nach den statischen Apps der ersten Generation wurden bei denen der zweiten Generation schon dynamische Daten einbezogen. In der dritten Generation wird verstärkt auf standortbezogene Dienste (Ort-, Zeitangaben) gesetzt. Stickelberger sieht Österreich im App-Sektor, ähnlich wie Josef Trappel, nicht als Trendsetter, eher als Imitator. „Die Medienhäuser haben sich zwar damit beschäftigt, aber eine App kann man bald einmal zusammenschnitzen. Ohne Konzept dahinter macht eine App aber keinen Sinn.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2011)

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